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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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aber etwas abseits gelegene Museum einen Besuch. Es beherbergt 884 Gemälde, fast ausnahmslos Vertreter der Skagener Malerschule aus dem neunzehnten Jahrhundert, die ungefähr zwanzig, überwiegend kleine Räume füllen. Sie stellen durchweg Szenen aus dem täglichen Leben dar – Sommerlandschaften, Freunde, die bei einem zwanglosen Abendessen beisammensitzen, der Blick aufs Meer durch ein offenes Fenster, eine Frau am Spülbecken –, doch sie hinterlassen beim Betrachter eine so anregende Wirkung, daß er sich nach dem Museumsbesuch so frisch und munter fühlt, als hätte er den Nachmittag in einer Art Ionisator verbracht.
    In dieser gehobenen Stimmung machte ich einen langen, glücklichen Spaziergang durch den Park, wanderte systematisch von einer sonnenbadenden Sekretärin zur nächsten und erkundigte mich, ob sie vielleicht Hilfe beim Einreiben mit Sonnenöl brauchten. So ganz stimmt das leider nicht. Für ein Sonnenbad war es nämlich noch zu kühl. Außerdem waren um vier Uhr nachmittags alle Sekretärinnen Kopenhagens in ihren düsteren Büros eingesperrt, so daß ich mich auf meinem Spaziergang mit meiner Phantasie begnügen mußte.

    Am frühen Abend unternahm ich einen Streifzug durch den überraschend reizlosen Hafen der Stadt. Außer Fischfabriken und Kränen gab es dort nicht viel zu sehen. Auf einer Werft in einiger Entfernung wehrte sich ein verrosteter Frachter mit schrillen Tönen und sprühenden Funken gegen die eisernen Werkzeuge und Maschinen. 
    Ich ging bis zur Kleinen Meerjungfrau, die einsam und verlassen, aber sehr hübsch auf ihrem Stein am Rande des Hafens hockte. Dann schlenderte ich durch den naheliegenden Kasteilet Park, der nach einer sternförmigen Festung am Eingang des Hafens benannt worden war und landete schließlich in einem Bistro an der Stockholmsgade, wo ich leicht und einfach zu Abend aß. Das Essen war zwar nicht der Rede wert, aber das Bier war gut, und der Service war ausgezeichnet, denn ich war der einzige Gast. Ich brauchte nur aufzusehen und hoffnungsvoll zu lächeln, und schon brachte man mir eilig ein frisches Bier. Nach einer Weile brauchte ich überhaupt nichts mehr zu tun. Sobald eine Flasche bis auf den letzten Tropfen geleert war, stand wie durch Zauberhand die nächste auf dem Tisch. Kurz gesagt, es war ein Bistro nach meinem Geschmack.
    So vergingen zwei Stunden. Zwischendurch blätterte ich in einer dänischen Zeitung, die jemand auf dem Tisch liegengelassen hatte, und versuchte, dem Wust unbekannter Worte zu entnehmen, ob Margaret Thatcher vielleicht aus einem fahrenden Auto gefallen war oder ob der Dritte Weltkrieg schon begonnen hatte. Doch auf dem Planeten Erde schien in den drei Wochen, die ich nun unterwegs war, im großen und ganzen alles beim alten geblieben zu sein. Also legte ich die Zeitung beiseite und sah aus dem Fenster, betrachtete den vorbeifließenden Verkehr und verlor mich in diesen müßigen Träumereien, mit denen der einsame Reisende seine Abende verbringt. Schließlich erhob ich mich, zahlte die stattliche Rechnung und wankte in die Nacht hinaus. Ich war meilenweit von meinem Hotel entfernt. Auf der langen Wanderung hielt ich mich bei Kräften, indem ich immer dann eine Pause einlegte, wenn ich an einem Haus vorbeikam, dessen helle, einladende Lichter mir 156
    signalisierten, daß man dort Bier ausschenkte. Von diesen Örtlichkeiten gibt es in Kopenhagen erfreulich viele, so daß ich den Abend damit verbrachte, allein in irgendwelchen Ecken zu sitzen, Unmengen von Bier zu trinken, Fremde dämlich anzugrinsen und mein Hemd mit Asche zu beschmutzen. Irgendwann gegen ein Uhr morgens, als ich über die Strøget torkelte und den Wunsch unterdrückte, ein Liedchen zu trällern, kam mir ein Ire entgegen getaumelt, der jedem, der ihm über den Weg lief, wüste Beschimpfungen an den Kopf warf.
    »Ihr verdammten Ärsche!« schrie er ein elegantes Paar an, dessen Schritte sich umgehend beschleunigten. »Du Wichser! Du dänischer Scheißkerl!« rief er einem jungen Mann zu, der den Kopf senkte und weitereilte. Das Komische war, daß er einen gepflegten, grauen Anzug trug und wie ein erfolgreicher Geschäftsmann aussah. Der Himmel weiß, was in seinem benebelten Kopf vor sich ging. Als er mich erblickte, schien er in mir einen betrunkenen Gesinnungsgenossen zu erkennen und ließ mich mit einer müden Handbewegung passieren, wurde danach aber sofort wieder munter, um einen Mann mittleren Alters mit seinen Beschimpfungen zu überschütten. »Du bist

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