Wo bitte geht's nach Domodossola
Bahnhof gehen, um mit der Suche von vorn zu beginnen, da entdeckte ich das Hotel Sophie Amalienborg. Es war groß, sauber, modern und furchtbar teuer, aber dort hatte man für zwei Nächte ein Einzelzimmer frei, das ich ohne zu zögern nahm. Ich sprang unter die Dusche, zog mir frische Sachen an und fühlte mich wie neugeboren, als ich mich wieder unter die Leute mischte.
Gibt es etwas Schöneres – natürlich abgesehen von einer wirklich guten Schokoladenkremtorte und einem saftigen Scheck, der unerwartet mit der Post kommt – als an einem milden Frühlingsabend durch eine fremde Stadt zu laufen, sich in den langen Schatten eines Sonnenuntergangs durch unbekannte Straßen treiben zu lassen, hier und dort stehen zu bleiben, um ein Schaufenster, eine Kirche oder einen hübschen Platz zu betrachten oder um eine Straßenecke zu schauen und sich zu fragen, ob das nette, gemütliche Restaurant, an das man sich noch jahrelang sehnsüchtig erinnern wird, nun in dieser oder in jener Richtung liegt?
Ich finde es herrlich. Ich hätte nichts dagegen, an jedem Abend meines Lebens in einer anderen Stadt anzukommen.
Kopenhagen ist nicht unbedingt eine besonders schöne, aber eine unglaublich sympathische Stadt. Dort leben anderthalb Millionen Menschen, ein Viertel der Bevölkerung Dänemarks, und dennoch herrscht in dieser Stadt eine Atmosphäre und eine beschauliche Lebensart wie in einer kleinen Universitätsstadt. Anders als die meisten Großstädte ist Kopenhagen frei von jeglicher Überheblichkeit. Hier gibt es keine Denkmäler, die an die glorreiche Vergangenheit eines Königreichs erinnern, und kaum etwas deutet darauf hin, daß dies die Hauptstadt eines Landes ist, das einst ganz Skandinavien regierte. In anderen Städten stellt man Statuen von Generälen und Potentaten auf. In Kopenhagen steht eine kleine Meerjungfrau. Ein feiner Zug, wie ich finde. Ich schlenderte die Nyhavn entlang, eine drei Häuserblocks lange Straße mit einem Kanal in der Mitte, in dem Schiffe mit hohen Masten vor Anker lagen, gesäumt von schmalen Giebelhäusern aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, die sich von Amsterdam hierher verirrt zu haben schienen. Das Viertel wurde tatsächlich ursprünglich von holländischen Seeleuten besiedelt und blieb lange ein beliebter Treffpunkt von angetrunkenen Matrosen. Und noch heute haben einige Ecken etwas von einer liederlichen Atmosphäre – ein Tätowiersalon und ein oder zwei Spelunken, hinter deren Fenstern man eine Rauferei zwischen Popeye und Brutus zu sehen erwartet – doch das sind die letzten, verblassenden Relikte. Schon seit Jahren geben sich die Gastwirte die größte Mühe, eine anspruchsvollere Klientel in die Nyhavn zu locken, so daß die meisten der alten Giebelhäuser heute Yuppie-Bars und Designer-Restaurants beherbergen. Trotzdem sind es durchweg sehr angenehme Lokale, was wohl vor allen Dingen daran liegt, daß es den Dänen ganz und gar nicht peinlich ist, gut zu leben. Und das ist ja auch richtig so. Vor den Restaurants entlang der Straße standen Tische aufgereiht, an denen blonde, prächtige junge Leute saßen, tranken, aßen und sich des für die Jahreszeit zu warmen Wetters erfreuten. Es ist mir ein Rätsel, was sie in Kopenhagen mit den alten Leuten machen. Vermutlich halten sie sie in ihren Kellern versteckt oder schicken sie nach Arizona, denn auf den Straßen sieht man ausnahmslos jugendliche, herausgeputzte, gesunde, blonde und ausgesprochen attraktive Menschen. In Kopenhagen hätte man innerhalb von fünfzehn Sekunden die komplette Besetzung für einen Pepsi-Cola-Werbespot zusammen. Und wie glücklich sie alle aussahen!
Die Dänen sind so voller Lebensfreude, daß sie sie förmlich ausschwitzen. Ihre lockere Einstellung zum Leben ist nicht nur erfrischend, sie ist vor allem erstaunlich, wenn man bedenkt, daß sie in einem Teil Europas leben, dessen Einwohner eine traurige Vorstellung von Vergnügen haben (in Norwegen hält man drei Leute und eine Flasche Bier für eine Party; der Nationalsport der Schweden ist Selbstmord). Wissen Sie, wie lange der Zweite Weltkrieg für Dänemark gedauert hat? Nicht einmal einen Tag. Hitlers Panzer überquerten die Grenze im Schutz der Dunkelheit und hatten bereits im Morgengrauen das ganze Land besetzt. Ein damaliger Politiker formulierte es so: »Wir wurden per Telegramm erobert.« Und schon am Abend saßen die Dänen wieder in ihren Bars und Restaurants.
Kopenhagen ist außerdem die einzige Stadt, die ich kenne, in
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