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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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fuhren dann durch den verwahrlosten Landstrich zwischen dem Vesuv und dem Meer und hielten alle paar hundert Meter an irgendeinem vorstädtischen Bahnhof, an dem 100 Leute aus- und 120 Leute einstiegen. Selbst die Städte Pompeji und Herculaneum oder Ercolano, wie sie es heute nennen, waren unansehnlich. Nichts als Wäscheleinen und schäbige Betonkästen. Von den Ruinen war vom Zug aus nichts zu sehen. Dann ging es bergauf, durch eine Reihe von Tunnels. Und plötzlich änderte sich das Bild. Es wurde kühl, und die Dörfer – manchmal nur eine Handvoll Häuser und eine Kirche in einer Lücke zwischen zwei Tunnels – waren unglaublich malerisch. Und in der Ferne schimmerte das blaue Meer.

    Ich habe mich auf den ersten Blick in Sorrent verliebt. Vielleicht lag es an der Tageszeit oder am Wetter oder an meiner Erleichterung, Neapel entronnen zu sein, jedenfalls schien es ein perfektes Städtchen zu sein, wie es sich da vor mir, vom Bahnhof bis hinunter an den Golf von Neapel, ausbreitete. In seinem Herzen lag ein kleiner, von Straßencafes umgebener Platz, die Piazza Tasso. Von dort zweigte ein Gewirr kühler, schattiger Gassen ab, in denen das italienische Leben pulsierte. Ansonsten schien Sorrent aus etwa einem Dutzend gewundener Straßen zu bestehen, gesäumt von netten Geschäften und Restaurants und von kleinen, angenehm altmodischen Hotels, die hinter dichtem Laubwerk versteckt lagen. Es war wunderschön, perfekt. Hier wollte ich leben, und zwar ab sofort. Ich nahm ein Zimmer im Hotel Eden, ein mittelgroßes Hotel aus den fünfziger Jahren. Es befand sich in einer Seitenstraße, war nicht gerade billig, aber tadellos in Schuß. Von meinem Zimmer aus konnte ich über den Dächern der Häuser und durch die Bäume das Meer glitzern sehen. Nachdem ich mich fünf Minuten im Zimmer umgesehen und mir zu meinem Glück gratuliert hatte, brach ich zu einem Streifzug durch das Labyrinth von Gassen an der Piazza Tasso auf und bewunderte die schicken, prall gefüllten Schaufenster am Corso Italia. Schließlich ließ ich mich an einem Tisch vor Tonino’s Snack Bar an der Piazza nieder, bestellte eine Cola und sah den Menschen zu, die gutgelaunt an mir vorüberzogen. In der Stadt wimmelte es von englischen Touristen mittleren Alters. Hin und wieder schnappte ich von einem der Nachbartische ein paar Gesprächsfetzen auf. Es war immer dasselbe. In dieser geräuschvollen und leicht quengeligen Tonart, die sich englischer Frauen mittleren Alters bemächtigt, plapperte die Frau unaufhörlich drauf los.
    »Ich wollte mir doch heute Strumpfhosen kaufen. Hab ich ganz vergessen. Du solltest mich doch daran erinnern, Gerald! Diese hier haben eine Laufmasche von hier bis Amalfi. Hoffentlich haben die hier überhaupt Strumpfhosen. Wenn ich nur wüßte, nach welcher Größe ich fragen muß. Hätte ich mir doch bloß zu Hause noch ein Paar eingesteckt! …« Aber Gerald hörte grundsätzlich nicht zu, natürlich nicht, denn er schielte heimlich zu einer BH-losen Schönheit hinüber, die lässig an einer Laterne lehnte und mit ein paar einheimischen Jünglingen auf Vespa-Rollern plauderte. Seine Frau schien er nur vage als chronisches Ärgernis am Rande seiner Existenz wahrzunehmen. Überall in Sorrent begegneten mir diese englischen Paare: Sie beäugte alles mit einem kritischen Blick, als wäre sie als Geheimagent des Ministeriums für Hygiene im Einsatz, und er trottete müde und resigniert hinterher.
    In einem Restaurant etwas abseits der Piazza aß ich zu Abend. Es war voll, aber sehr freundlich, und das Essen war ebenso reichlich wie vorzüglich – Sahneravioli mit einer ordentlichen Portion Scallopine alla Sorrentino und einem einfachen, aber großen Salat sowie eine Riesenportion hausgemachtes Eis, das mir Tränen der Freude in die Augen trieb.
    Während ich mir nach diesem üppigen Mahl einen Kaffee und eine Zigarette genehmigte, geschah etwas Bemerkenswertes. Eine Gruppe von acht Personen trat ein. Alle sahen sie reich und blasiert und ungemein zwielichtig aus; die Frauen in Pelze gehüllt, die Männer mit Kaschmirmänteln und Sonnenbrillen. Und binnen einer Minute brach ein Tumult aus, der die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog. Offensichtlich hatten die Neuankömmlinge einen Tisch reserviert, der nun nicht bereitstand – im ganzen Lokal war kein einziger Tisch frei –, und sie schienen fest entschlossen, daraus einen Skandal zu machen. Der Geschäftsführer ließ händeringend die Beschimpfungen über sich

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