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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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dem Lift den letzten Kick gab, jedenfalls bewegten wir uns aufwärts, mit der üblichen Geschwindigkeit von einem Meter pro Minute. Der Fahrstuhl war winzig. Wir standen dicht genug beieinander, um dafür in einigen Ländern verhaftet zu werden, und ihre Gesichter waren so nah, daß sich unsere Nasen fast berührten. Angesichts dieser Nähe fühlte ich mich verpflichtet, ein paar höfliche Worte zu wechseln.
    »Auf Geschäftsreise?« fragte ich, woraufhin einer von ihnen eine Verbeugung andeutete.
    »In Italien auf Geschäftsreise?« wollte ich wissen. Eine dumme Frage. Wieviele Leute tragen im Urlaub blaue Anzüge?
    Der Japaner verneigte sich abermals, und mir wurde klar, daß er kein Wort verstanden hatte.
    »Sprechen Sie Englisch?«
    »Ahhr … no«, antwortete ein anderer, als wäre er nicht ganz sicher, und schwankte ein klein wenig. Ich begann zu begreifen, daß sie alle ziemlich betrunken waren. Ich sah den dritten Mann an, der sich schnell verbeugte, noch ehe ich etwas sagen konnte.
    »Waren die Herrschaften vielleicht in der Bar?« Es folgten kurze, verständnislose Verbeugungen. Allmählich fand ich Gefallen an dieser Art von Konversation.
    »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie sehen aus, als hätten Sie einen zuviel hinter die Binde gekippt. Hoffentlich wird niemand ernstlich krank!« fügte ich heiter hinzu.
    Der Aufzug kroch weiter aufwärts und kam endlich mit einem dumpfen Ruck zum Stehen. »Da wären wir, meine Herren. Achter Stock. Aussteigen für alle Weiterfahrten nach Iwo Jima.«
    Im Flur drehten sich die drei zu mir um und wünschten mir wie aus einem Munde einen »Buon giorno.«
    »Einen wunderschönen »buon giorno« auch Ihnen«, erwiderte ich und betätigte schleunigst Knopf Numero eins.
    Ich erreichte die Bar zwei Minuten, bevor sie schloß. Eigentlich war sie bereits geschlossen. Ein emsiger Kellner hatte all die kleinen Erdnußschälchen eingesammelt, und von dem Pianisten war auch nichts mehr zu sehen. Im Grunde war das allerdings ziemlich egal, denn in der Bar hätte es sowieso nichts zu essen gegeben. Ich kehrte in mein Zimmer zurück, durchwühlte die Mini-Bar und fand zwei winzige Tüten, die jeweils rund vierzehn Erdnüsse enthielten. Ich suchte weiter, aber ansonsten befand sich nichts Eßbares unter den vielen Flaschen alkoholischer und alkoholfreier Getränke. Während ich mir die Erdnüsse einzeln in den Mund schob, warf ich einen Blick auf die Preisliste der Mini-Bar und stellte fest, daß mich dieser erbärmliche kleine Imbiß 4,80 Dollar kosten würde, vorausgesetzt, ich wäre dämlich genug, irgendjemandem davon zu erzählen.

    Am nächsten Morgen zog ich ins Hotel Corallo an der Via Nazionale um. Auf dem Zimmer gab es keinen Fernseher, dafür eine kostenlose Duschhaube, und es war pro Tag 50000 Lire billiger. Ein kleineres Badezimmer habe ich noch nie gesehen. Es war so klein, daß keine Duschkabine hineinpaßte. Man schloß einfach die Tür zum Schlafzimmer, drehte die Dusche auf und ließ das Wasser spritzen – über die Toilette, über das Waschbecken, über den Guardian vom Vortag und über die frische Unterwäsche.
    Zuerst ging ich zur Kathedrale im Herzen der Stadt. Wie kann man um die Ecke zur Piazza del Duomo biegen, ohne daß einem bei ihrem Anblick das Herz höher schlägt? Sie ist eine der großartigen Sehenswürdigkeiten Europas.
    Es wimmelte von Touristen und von Leuten, die versuchten, ihnen Souvenirs anzudrehen. Als ich 1972 in Florenz war, war die Stadt auch überfüllt, aber das war im August, und ich hatte es nicht anders erwartet. Doch nun, an diesem normalen Werktag im April, war es noch viel schlimmer. Ich ging zu den Uffizien und über die Piazza della Signoria und zu all den anderen Anziehungspunkten der Alt-Stadt, und überall bot sich dasselbe Bild – Massen von Menschen, fast alle aus dem Ausland, schoben sich in Fünfer-oder Sechsergruppen durch die Straßen, traten sich gegenseitig auf die Füße und sahen unentwegt zu etwas auf, das sich etwa sechs Meter über dem Erdboden befand. Wo gucken die bloß immer hin?
    Wenn ich mir früher, als kühner Jüngling, den Weg durch eine solche Menschenmenge bahnen mußte, stellte ich mir manchmal vor, ich hätte eine Strahlenpistole, mit der ich jeden in Luft auflösen konnte, dessen Nase mir nicht paßte – Leute, die zu langsam gingen, Pärchen im Partnerlook, Kinder, die Junior und Chip gerufen wurden. Im Geiste schoß ich mir den Weg frei. So ungefähr war mir auch jetzt zumute.
    Hunderte von

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