Wo bitte geht's nach Domodossola
dieser herrischen, englischen Lesbierinnen handelt, diese Frauen mittleren Alters, mit festem Schuhwerk und Buster Brown Frisur, die man so oft in ausländischen Hotels trifft. Sie stehen an der Rezeption und erwarten prompte Bedienung. Sie verachten alle Ausländer, fühlen sich ständig betrogen und brüllen unentwegt ihre Befehle: »Kommen Sie herein!«, »Dieses Kleid muß gewaschen/gebügelt werden«, »Bringen Sie mir Seife/Handtücher/eisgekühltes Wasser«. Und wieder andere Redewendungen wiesen auf ein verborgenes Alkoholproblem hin: »Befindet sich eine Bar im Bahnhof?«, »Bringen Sie mir eine Flasche guten Wein«, »Ein Glas/eine Flasche Bier zum Mitnehmen«,
»Zwanzig Liter«.
Der Warteraum war längst menschenleer, und nichts geschah. Ich trat erneut in die Vernehmungskabine, in der der junge Polizist gerade die Angaben einer Frau mit Blutergüssen im Gesicht zu Protokoll nahm. Er warf mir einen bösen Blick zu, verärgert, daß ich es wagte, ihn in zwei Stunden zum zweiten Mal zu stören. »Sprechen Sie Italienisch?« wollte er wissen.
»Nein.«
»Dann kommen Sie morgen wieder. Morgen sitzt hier ein Kollege, der Englisch spricht.« Geflissentlich sah er darüber hinweg, daß sein eigenes Englisch perfekt war.
»Warum haben Sie mir das nicht vor zwei Stunden gesagt?« Ich legte mich tatsächlich mit einem bewaffneten Mann an. Meine Stimme überschlug sich fast.
»Kommen Sie morgen wieder.«
Ich checkte wieder im Hotel Corallo ein und verbrachte den Nachmittag damit, mich mit dem italienischen Fernsprechnetz abzuplagen und zu versuchen, meine Verlustmeldungen nach London durchzugeben. Ich hatte Reiseschecks von Visa und American Express, was 234
bedeutete, daß ich alle Telefonate zweimal führen mußte. In den Leitungen rauschte es, als wären sie voller Wasser, während ich Listen von Seriennummern verlas:
»RH259 –«
Eine dünnes Stimmchen unterbrach mich und rief vom Grund eines tiefen Sees zu mir hinauf: »Sagten Sie R A 2 9 9 …?«
»Nein, ich sagte R H 2 fünf neun –«
»Würden Sie bitte lauter sprechen?«
»Die Nummer ist R H ZWEI FÜNF NEUN!!«
»Hallo? Sind Sie noch da, Mr. Byerson? Hallo? Hallo?«
Und so verging der Nachmittag. American Express versicherte, ich könne mir den zu erstattenden Betrag am nächsten Morgen in der Niederlassung in Florenz abholen. Visa wollte die Sache erst überschlafen.
»Hören Sie, ich bin mittellos«, log ich, woraufhin man mir erklärte, daß man erst alle Einzelheiten einer Partnerbank in Florenz oder sonstwo in Europa telegrafieren müsse und daß ich das Geld bekäme, sobald der Papierkram erledigt sei. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie die byzantinischen Banken Italiens arbeiten. Man kann dort einen Herzanfal! bekommen, und sie holen nicht eher einen Krankenwagen, als bis man das entsprechende Formular ausgefüllt und mindestens drei Stempel an drei verschiedenen Schaltern eingeholt hat. Daher zögerte ich nicht lange und bat die Dame, mir eine Bank in Genf zu nennen. Meiner Bitte wurde stattgegeben. Am nächsten Morgen stand ich wieder in der Questura. Nachdem ich anderthalb Stunden gewartet hatte, führte man mich in das sogenannte Ufficio Denuncie. Was für ein Name! Das Denunziationsbüro! Es kam mir vor, als wäre ich im Begriff, folgenschwere Anklagen zu erheben:
»Hiermit denunziere ich den Friseur von Michael Heseltine! Hiermit denunziere ich jeden Verkäufer und jede Verkäuferin in jedem Dixons, das ich je betreten habe!«
Hinter einem Schreibtisch, auf dem ein uraltes Monstrum von einer Schreibmaschine stand, saß eine sympathische junge Frau in Jeans. Sie stellte mir Unmengen von Fragen – wie ich heiße, wo ich wohne, wo ich herkomme, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, welches meine Lieblingsfilme sind, und so weiter – und tippte meine Antworten mit einem Finger in die Schreibmaschine, wobei sie minutenlang die riesige Tastatur absuchte, bevor sie vorsichtig eine Taste anschlug, als hätte sie Angst, einen elektrischen Schlag zu bekommen. Nach jeder Frage mußte sie die Walze der Maschine lösen und das Papier zurechtrücken, damit die nächste Antwort in die Nähe des dafür vorgesehenen Feldes paßte. (Das war sicher nicht ihre stärkste Seite.) Das Ganze dauerte Ewigkeiten. Endlich überreichte sie mir zur Sicherstellung meiner Ersatzansprüche einen Durchschlag des Protokolls, während das Original, da habe ich keinen Zweifel, geradewegs in den Papierkorb wanderte.
Da ich nun wirklich kein Geld
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