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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Einwohner durch die Nachricht aus Florenz so in Panik gerieten, daß sie ganze Familien in ihren Häusern einmauerten, sobald der Verdacht aufkam, sie hätten ein Opfer in ihren Reihen.
    Es gibt kein wirkungsvolleres Mittel, um die eigenen Probleme in ein anderes Licht zu rücken, als über Menschen zu lesen, die lebendig begraben wurden. Ich halte das Leben schon für qualvoll, wenn ich bei Sainsbury’s keinen Parkplatz finde. Aber wie hart muß es im Italien des vierzehnten Jahrhunderts gewesen sein!
    Zunächst regnete es 1345 sechs Monate lang ununterbrochen, so daß sich weite Teile des Landes in einen Stausee verwandelten. Der Boden konnte nicht bebaut werden, die Wirtschaft brach zusammen, Banken gingen pleite, und Tausende von Menschen starben während der folgenden Hungersnot. Zwei Jahre später erschütterten verheerende Erdbeben das Land – in Rom, Neapel, Pisa, Padua und Venedig – und brachten erneut Tod und Chaos. Und dann, als die Leute dachten, daß es schlimmer nun wirklich nicht mehr kommen könne, da ging in Genua ein unbekannter Seemann an Land, und mit ihm kam die Pest, um sich innerhalb kürzester Zeit über ganz Europa zu verbreiten.
    Und damit nicht genug. Die Pest suchte Italien immer wieder heim – von 1360 bis 1361, von 1368 bis 1369, 1371, 1375, 1390 und 1405. Das Komische ist, daß in Europa gerade in dieser Zeit viele Kirchen gebaut wurden. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber wenn ich in einer Zeit leben würde, in der Gott jedem dritten meiner Mitbürger eiternde Beulen schickt, dann würde ich nicht glauben, daß Er auf meiner Seite steht. Am nächsten Morgen fuhr ich weiter nach Genf. Der Zug raste durch eine Reihe von reizlosen Industriestädten, durch Sierra, Sion, Martigny – Städte, die aus nichts anderem als aus kleinen Fabriken und unansehnlichen Industriegeländen zu bestehen schienen. Ich hatte ganz vergessen, wie häßlich weite Teile der Schweiz sind. Und überall standen Strommasten. Auch die hatte ich vergessen. Im Drähte-Spannen sind die Schweizer große Klasse. Ganze Berghänge haben sie mit Hochspannungsleitungen überzogen. Entlang jeder Bahnstrecke schwingen sich die Kabel von einem Mast zum nächsten. Und in den Städten hängen sie wie Wäscheleinen über den Straßen, damit die Straßenbahnen übers Pflaster holpern können. Scheinbar haben sie hier noch nichts davon gehört, daß man das Land auch auf dezentere Weise mit Strom versorgen kann.
    Bei Villeneuve erreichten wir den Genfer See und jagten während der folgenden Stunde mit einer solchen Geschwindigkeit an seinem Nordufer entlang, daß ich überzeugt war, daß der Lokführer tot auf dem Gaspedal zusammengesackt war. Wir sausten am Schloß Chillon vorbei – ssschsch! –, ein verschwommen malerischer Fleck, schossen durch die Bahnhöfe von Montreux und Vevey, daß die Leute auf den Bahnsteigen durch die Luft gewirbelt wurden, und kamen endlich quietschend in Lausanne zum Stehen, wahrscheinlich um den toten Lokführer auszuwechseln. Jedenfalls legten wir den Rest der Strecke nach Genf mit deutlich gemäßigterem Tempo zurück.
    Im Gang vor meinem Abteil standen zwei junge Australier, die sich während der Fahrt von Lausanne nach Genf über die großen Schlägereien unterhielten, bei denen sie im Laufe ihres Lebens dabei sein durften. Ich konnte die beiden nicht sehen, aber ich verstand jedes ihrer Worte. Was ich zu hören bekam, war folgendes: »Kannste dich erinnern, wie Muscles Malloy den Savage Drillingen mit’nem Tischlerhammer die Fresse poliert hat?«
    »Na klar, Mann. Die Gehirnfetzen sind bis in mein Bier gespritzt!«
    »Ja, das war erste Sahne! Weißte noch, wie Muscles diesem Jason Brewster mal ’nen Billardstock in die Nase gerammt hat, daß er ihm oben aus dem Kopf wieder rauskam?«
    »Dieser Muscles war ’n echtes Tier.«
    »Der war viel schlimmer als ’n Tier. Haste ihn mal ’ne lebende Katze essen sehen?«
    So ging es weiter bis Genf. Diese Typen waren gefährliche Psychopathen und gehörten in eine Anstalt. Während der ganzen Fahrt war ich darauf gefaßt, daß mich einer von ihnen entdecken würde und aus lauter Langeweile auf dumme Gedanken käme: »Wolln wir nicht das Arschloch da drüben an den Füßen aus dem Fenster hängen und versuchen, mit seinem Kopf die Schwellen zu treffen?« Endlich wagte ich es, einen verstohlenen Blick um die Ecke zu werfen. Da standen sie und waren gerade 1,30 Meter groß. Die Burschen hätten nicht einmal einem blinden Liliputaner etwas

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