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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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lassen. Zähneknirschend nahm ich die Reiseschecks entgegen. Aber von nun an gibt es für mich nur noch Reiseschecks von American Express, das kann ich Ihnen sagen. Und sollte die Gesellschaft es für nötig halten, sich für dieses Bekenntnis mit einem Kofferset oder einem Skiurlaub in den Rockies erkenntlich zu zeigen, dann nehme ich dankend an.

    Zwei Tage streifte ich durch Genf, und zwei Tage verspürte ich die unbestimmte Sehnsucht, irgendwo anders zu sein. Ich weiß selbst nicht genau, warum, denn eigentlich ist Genf eine ganz angenehme Stadt – übersichtlich, sehr gepflegt, fußgängerfreundlich, mit einer ehrwürdigen Altstadt, einigen hübschen Parks und dem riesigen blauen See, der sich am Abend, wenn die bunten Lichter der Stadt auf seinem Wasser funkeln, von seiner schönsten Seite zeigt. Doch die Stadt ist teuer, und die Leute sind kühl und zugeknöpft. Eilig und mit hochgezogenen Schultern laufen sie durch die Straßen, als dürfe ihnen niemand in die Quere kommen. Frühling lag in der Luft, doch auf ihren Gesichtern war es Februar. Anders als in Amsterdam und Kopenhagen belebten hier auffallend wenig junge Leute die Kneipen und Bistros. Der Stadt fehlte der Schwung, die gute Laune. Sie hatte keine Seele. Dafür hatte sie saubere Straßen. Vermutlich sollte man die Schweizer für ihren Fleiß
    bewundern. Das Land ist klein und gebirgig, besitzt praktisch keine Naturschätze und hat es dennoch geschafft, die reichste Nation der Erde zu werden. (Das Bruttosozialprodukt der Schweiz liegt pro Kopf um fast fünfundzwanzig Prozent höher als das Japans und mehr als doppelt so hoch als das Großbritanniens.) Das Land hat mehr Banken als Zahnärzte. Nichts ist in der Schweiz so wichtig wie das Geld, und diese stille Leidenschaft hat ihre Bewohner zu cleveren Opportunisten gemacht. Die Schweiz ist von Land umschlossen, 500 Kilometer vom Hauch eines Meeres entfernt und ist dennoch der größte Hersteller von Schiffsmaschinen der Welt. Ihre Tugenden sind vielfältig: sie sind sauber, ordentlich, gesetzestreu und fleißig – so fleißig, daß sie in den siebziger Jahren im Rahmen eines landesweiten Referendums gegen die Kürzung ihrer Wochenarbeitszeit gestimmt haben. Und da haben wir schon das ganze Problem. Die Schweizer sind fürchterlich langweilig und hoffnungslos konservativ. Ein Freund von mir, der 1968 in Genf lebte, in einer Zeit, als überall in Europa die Studenten auf die Barrikaden gingen, erzählte mir einmal, daß auch die Genfer Studenten eines Tages den Aufstand proben wollten, daß sie ihre Demonstration jedoch wieder absagten, als sie von der Polizei nicht genehmigt wurde. Mein Freund schwört, daß es tatsächlich so und nicht anders war. Unbestritten ist jedenfalls, daß die Frauen in der Schweiz erst 1971 das allgemeine Wahlrecht erhielten, ein halbes Jahrhundert später als sonst irgendwo. Im Kanton Appenzell-Innerrhoden waren Frauen noch bis 1990 von den Kantonalwahlen ausgeschlossen. Die Schweizer haben einen unangenehmen Hang zu Selbstgefälligkeit und rücksichtslosem Eigennutz. Sie holen sich Hunderttausende von Gastarbeitern ins Land (einer von fünf Einwohnern ist Ausländer), verweigern ihnen aber die Staatsbürgerschaft, um sie in schlechten Zeiten wieder nach Hause schicken zu können. So mußten 1973 während der Ölkrise 300000 Menschen das Land verlassen. Sie mußten ihre Wohnungen aufgeben, ihre Kinder von den Schulen nehmen und solange auf den gewohnten Komfort verzichten, bis wieder bessere Zeiten anbrachen. Auf diese Weise stehen den Schweizern in Zeiten der Hochkonjunktur billige Arbeitskräfte zur Verfügung, ohne daß sie während einer Wirtschaftskrise die lästigen sozialen Verpflichtungen wie Arbeitslosenunterstützung und Gesundheitsfürsorge zu tragen haben. Dies sind die Methoden, mit denen sie die Inflation niedrig halten und sich ihren üppigen Lebensstandard sichern. Ich kann das verstehen, aber bewundern muß ich es wohl nicht.

    Am zweiten Tag machte ich einen langen Spaziergang am See. Ich schlenderte am grünen, menschenleeren Ufer entlang, vorbei am halb verfallenen Gebäude des Völkerbundes, wo ein paar Jungs vergeblich versuchten, die Fensterscheiben mit Steinen einzuwerfen, wanderte durch den friedlichen Botanischen Garten und stand schließlich vor den Toren des riesigen Palais des Nations (laut Prospekt ist es größer als Versailles), in dem heute die Vereinten Nationen untergebracht sind. Ich überlegte, ob ich an einer der kostspieligen

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