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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Führungen teilnehmen sollte, konnte mich aber nicht dazu entschließen. Statt dessen besuchte ich das Musée International de la Croix-Rouge, das Museum des Internationalen Roten Kreuzes, das sich, wie ich auf meinem Stadtplan sah, ganz in der Nähe befand, und das mir weitaus interessanter zu sein schien. Und es war wirklich eine nette Überraschung, falls diese Bezeichnung nicht etwas unangebracht ist für ein Museum, das sich dem menschlichen Leiden in all seiner erstaunlichen Vielfalt verschrieben hat. Ich will nur sagen, die Ausstellung war wohldurchdacht, und man verstand sich bestens auf die multimediale Präsentation – so nennt man das ja wohl. Das Anliegen der Organisation wurde im allgemeinen recht eindrucksvoll vermittelt, wenn man bedenkt, daß alles in vier Sprachen erklärt werden mußte, ohne dabei in der Darstellung der Katastrophen und der menschlichen Greueltaten allzu anschaulich zu werden, denn das würde die Jüngeren unter den Besuchern schließlich nur verstören. Natürlich sind der Organisation aufgrund gewisser politischer Gegebenheiten die Hände gebunden. So war in der Ausstellung eine nachgebaute Zelle von der Größe eines Kleiderschrankes zu sehen, in der Mitarbeiter des Roten Kreuzes siebzehn Gefangene vorgefunden hatten, die unter unbeschreiblichen Bedingungen dort untergebracht waren, und zwar aus keinem anderen Grund, als daß ihre politischen Ansichten nicht mit denen der Herrschenden übereinstimmten. Doch nirgends war ein Hinweis zu entdecken, in welchem Land man auf diese Zelle gestoßen war. Anfangs hielt ich diese ständige Diskretion noch für feige, aber nach einigem Nachdenken kam ich zu dem Schluß, daß sie wohl unbedingt erforderlich sein muß. Das entsprechende Land beim Namen zu nennen, hätte die Arbeit des Roten Kreuzes vor Ort nur gefährdet. Das Erschreckende daran war die große Anzahl der Länder, die dafür in Frage kamen. Während der restlichen Stunden des Tages bummelte ich ziellos durch die Stadt. Ich stöberte in Kaufhäusern herum, befingerte die Waren (das macht schweizerische Verkäuferinnen wahnsinnig), aß im einzigen bezahlbaren Restaurant der Stadt zu Abend (bei McDonald’s), besichtigte die Kathedrale, erkundete die Altstadt und sah mir die Schaufenster von Antiquitätenläden an, die mit so kitschigen Dingen vollgestopft waren, wie wir sie uns auf Barry Manilows Hazienda in Malibu vorstellen lebensgroße Porzellantiger, orientalische Vasen, in die ein zehnjähriges Kind hineinpassen würde, protzige Louisquatorze-Sekretäre und Anrichten mit vergoldeten Ecken und Kanten.
    Nachdem ich am Abend den Feigenbrei aus Locarno aus meinem letzten sauberen Hemd gewaschen hatte, begab ich mich in eine Kneipe um die Ecke, wo ich Ewigkeiten auf mein Bier warten mußte und die folgende Stunde damit verbrachte, abwechselnd die gewaltige Rechnung und das winzige Bier anzustarren, unfähig, beides miteinander in Verbindung zu bringen. Ich wechselte in eine andere Spelunke über und kehrte, nachdem ich dort exakt dieselben Erfahrungen gemacht hatte, müde in mein Hotelzimmer zurück.
    Ich ging ins Bad, um nachzusehen, ob mein Hemd schon trocken war. Mit dem starren Blick eines Menschen, der an Enttäuschungen gewöhnt ist, nahm ich zur Kenntnis, daß die violetten Feigenflecken wieder hervortraten. Ich warf das Hemd in den Papierkorb, ging ins Schlafzimmer zurück, schaltete den Fernseher ein und sank aufs Bett – alles in einer fließenden Bewegung. Es lief ein Film von 1954 mit John Wayne in der Hauptrolle. Er tötete eine Reihe von Japanern und sprach mit der Stimme eines anderen Französisch.
    Während ich so dalag und mir diesen Film ansah, in dem ich außer »Bonjour«, »Merci bien« und »Aaaargh!« (das sagten die Japaner, als John ihnen mit seinem Bajonett die Bäuche aufschlitzte) kein Wort verstand, dachte ich, wie langweilig das doch war, und gleichzeitig – und das ist das Interessante daran – langweilte ich mich wahrscheinlich nicht mehr als jeder andere in der Schweiz.

    Am nächsten Vormittag fuhr ich nach Bern. Bern liegt zwei Zugstunden östlich von Genf und war eine willkommene Abwechslung – eine würdevolle, schöne Stadt voller Cafés und junger Leute. In der TouristenInformation im Bahnhof besorgte ich mir einen Stadtplan, mit dessen Hilfe ich das Hotel Kreuz im Stadtzentrum fand. Dort quartierte ich mich ein und brach gleich wieder auf. Ich konnte es kaum erwarten, die Stadt kennenzulernen, und freute mich über diese Ungeduld,

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