Wo Dein Herz Zu Hause Ist
Ausreden. Ich bin ein Feigling. Ich bin ein schwangerer Feigling. Die ganze Zeit ist mir schlecht, und unheimlich müde bin ich auch. Heute bin ich sogar in der Biologiestunde eingeschlafen. Es ging gerade um Fortpflanzung, ironisch, oder? Ich muss mich ständig übergeben. Wenn das eine Kunstform wäre, dann wäre ich darin der reinste Leonardo da Vinci. Es kommt mir auch so vor, als hätte ich abgenommen, meine Schuluniform schlottert an mir herum. Komisch. Ich frage mich, wie lange das noch so bleibt.
Am Montag war ich mit Dr. B. reiten. Es war eiskalt. Betsy hatte überhaupt keine Lust, und das konnte ich bestens nachfühlen. Ich hatte nämlich auch keine Lust, aber ich hatte es versprochen. Ich hatte überlegt, ob ich es ihm sagen soll, aber dann dachte ich, er könnte vielleicht verpflichtet sein, es zu melden, so wie er die Verpflichtung hatte, zu melden, dass
er
in mein Zimmer gekommen ist. Nicht, dass die Polizei etwas dagegen unternommen hätte, aber was ist, wenn er verpflichtet ist, mich anzuzeigen und sie dann irgendetwas mit mir
machen? Pauline, die ältere Schwester von Pamela Whelan (sie sind vier Mädchen in der Familie, und alle ihre Namen fangen mit P an!), ist vor zwei Jahren schwanger geworden, und sie haben sie in ein Kloster in den Midlands verfrachtet, und als sie zurückkam, hatte sie kein Baby, und seitdem ist sie wirklich ein bisschen komisch. Und Dave hat Sheila von seiner Cousine Loretta erzählt. Sie ist auch schwanger geworden und wurde nach England geschickt. Das ist jetzt vier Jahre her, und in ihrer Familie wird nie mehr über sie gesprochen. Er weiß nicht, was aus ihr geworden ist.
Ich habe jetzt ein echtes Problem. Jedenfalls habe ich überlegt, ob ich es Dr. B. erzählen soll, und als ich beschlossen hatte, es besser sein zu lassen, hat er mir erzählt, dass er jemanden kennengelernt hat. Ich bin fast umgefallen. Dr. B. hat jemanden gefunden. Ich freue mich für ihn. Sie haben sich bei einer Party in Dublin getroffen und sich seitdem erst drei Mal verabredet, aber sie mögen sich jetzt schon sehr. Sie spielen beide gerne Karten und Schach. Er hat ein Auto und arbeitet irgendwo als Betriebsleiter. Es ist einfach toll. Ich habe Dr. B. gesagt, wie ich mich für ihn freue, und so ist es auch. Ich habe sogar eine Zeitlang vergessen, dass ich schwanger bin. Aber dieses Wochenende muss ich es Matthew sagen, und das macht mir Angst. Er redet die ganze Zeit davon, dass es nur noch sechs Monate sind, bis wir nach Kentucky gehen. Ich hatte nach dem Tod seines Dads gedacht, dass wir unsere Pläne ändern müssten, aber Matthew erbt den Reitstall erst, wenn er einundzwanzig ist, und die Freunde von Matthews Dad wollen immer noch, dass er kommt, und Henry hält das auch für eine gute Idee, und jetzt habe ich das alles kaputtgemacht. Er wird mich hassen.
1. Februar 1976 Sonntag
Matthew und ich haben uns total gestritten. Er hat gesagt, ich hätte ihn belogen und dass ich es ihm hätte erzählen müssen und dass er die ganze Zeit Pläne gemacht hat und er sie jetzt vergessen kann. Er war so wütend. Ich habe gesagt, dass ich gedacht habe, die Schwangerschaft würde nicht halten. Da hat er geschrien, ich wäre wie meine Mutter. Das hat ganz schön wehgetan, aber er hatte recht. Ich habe den Kopf in den Sand gesteckt, genau wie sie, und jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll. Er will nicht mehr mit mir reden. Er hat gesagt, er kann meinen Anblick nicht mehr ertragen. Ich bin verzweifelt. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe, und ich weiß, dass ich ihn verletzt habe, aber ich will trotzdem einfach nur, dass er mich in die Arme nimmt und sagt, dass alles wieder gut wird. Ich will nicht in ein Kloster gehen und ohne Baby, dafür aber ein bisschen irre wieder zurückkommen. Ich will nicht irgendwo in England verschwinden. Und was ist, wenn
er
es mitbekommt? Ich habe ein Riesenproblem. Matthew, wo bist du?
2. Februar
Liv,
im Zug konnte ich nur an dich denken. Ich hätte all diese Dinge nicht sagen sollen. Ich habe mich angehört wie
mein Dad. Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen. Ich weiß, dass du nicht gelogen hast. Ich weiß, dass du versucht hast, das Beste aus der Situation zu machen, wie du es immer tust. Ich will dir sagen, dass wir es schon schaffen werden. Vielleicht können wir ja auch so immer noch nach Amerika gehen, und auch wenn das nicht klappt, werde ich dich heiraten. Ich würde dich morgen schon heiraten. Vielleicht kann Henry
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