Wo Dein Herz Zu Hause Ist
nachvollziehen.»
«Vielleicht gibt es noch einen anderen Grund, aus dem sie so verzweifelt ist.»
«Noch einen weiteren Grund außer dem, dass ihr zweiter Heiratsversuch gescheitert ist?» Monas Stimme klang leicht sarkastisch.
Gloria beharrte nicht darauf. «Vermutlich hast du recht.»
«Natürlich habe ich recht. Ich habe immer recht, wenn es um andere Leute geht.»
Gloria rang sich ein Lächeln ab.
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, machte Gloria die Einkäufe fürs Abendessen. Als sie nach Hause kam, war George schon da, und Duncan kam wenig später. George half seiner Mutter bei der Vorbereitung des Essens, während Duncan Zeitung las. Er hatte bei Harri vorbeigeschaut, doch sie war apathisch und teilnahmslos gewesen, weil sie ein Schlafmittel genommen hatte. Er hatte sie ins Bett gebracht und die Decke um sie gewickelt, wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war.
«Dad.»
«Ja, mein Spatz?»
«Hast du dich schon einmal so gefühlt, als wärst du ein Puzzlestück aus einem anderen Spiel?»
«Es wird alles wieder gut», sagte er, doch sein Herz schlug so heftig wie noch nie zuvor.
«Es ist ein gruseliges Gefühl.»
«Schlaf lieber ein bisschen», sagte er, weil er sich davor fürchtete, noch mehr zu hören. «Schlaf jetzt.»
Er ging hinaus, zog die Tür hinter sich zu und lehnte sich schwer atmend dagegen. Die Worte seines Bruders klangen ihm in den Ohren. «Die Wahrheit wird ans Lichtkommen. Ganz gleich, was geschieht, am Ende kommt die Wahrheit ans Licht.»
Beim Abendessen redete Duncan nicht viel. Gloria brachte George mit ihrem ‹Mad Max Mel›-Traum zum Lachen.
«Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Mel Gibson Dad sein könnte.»
«Und ich kann mir deinen Vater kaum als Frauenhasser vorstellen, der einen Ford Capri fährt. Das, mein Sohn, sind die Freuden der RE M-Schlafphase .» Gloria lächelte ihren Sohn an. Sie wollte unbedingt das Bild ihrer schwer angeschlagenen Tochter verdrängen.
Erst beim Nachtisch fand George den Mut, seine Eltern auf ein Thema anzusprechen, das sie, so viel wusste er, lieber mieden.
«Erinnert ihr euch noch daran, als Harri und ich klein waren?»
«Natürlich», sagte Gloria. «Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen.»
«Und erinnert ihr euch auch an ihre Panikattacken?» Er hatte beschlossen, dass es das Beste war, nicht lange um den heißen Brei herumzureden.
«Wie bitte?», sagte Duncan schroff.
«Ihr habt sie auf Epilepsie untersuchen lassen. Das weiß ich noch. Ich weiß noch, dass sie dann immer ihre Hände an den Hals gelegt hat, als müsse sie würgen. Genauso wie es Mum macht, wenn sie nervös wird.»
Während er sprach, legte Gloria tatsächlich eine Hand an ihren Hals.
«Du weißt nicht, was du da redest», sagte Duncan entschieden.
«Dann erklär’s mir», forderte George.
«Ich muss dir gar nichts erklären», sagte Duncan und stand auf.
«Setz dich, Duncan.» Gloria war über seinen Ton erschrocken.
Er setzte sich wieder hin und sah seinen Sohn warnend an.
Doch George ließ sich nicht bremsen. «Warum habt ihr den Arzt angelogen?»
«Wir haben nicht gelogen.» Duncans Stimme war heiser.
«Und warum lügt ihr mich an?»
Auf einmal weinte Gloria. «Das wollten wir nicht.»
George sah seine Mutter an. Duncan stützte den Kopf auf die Hände.
«Was zum Teufel ist los?», fragte George.
«Wir wollten einfach nicht daran rühren», sagte Gloria. «Dann würde es so viele Fragen geben – Fragen über Fragen – es wäre so schwer, sie richtig zu beantworten.»
Duncan sah von seiner weinenden Frau zu seinem entgeisterten Sohn. Er dachte an die beunruhigende Frage, die ihm seine Tochter gestellt hatte, und tief in seinem Innersten wusste er, dass die Zeit der Verstellung vorbei war.
Die Wahrheit kommt ans Licht
.
«Dad?»
«Wir lieben euch beide so sehr», sagte Duncan. Seine Stimme klang nicht mehr wütend.
«Ich weiß», sagte George und fühlte sich mit einem Mal sehr unbehaglich.
«Ihr seid meine Zwillinge», sagte Gloria, bleich und zitternd. «Ihr seid meine Babys.»
Duncan warf einen sorgenvollen Blick auf seine Frau. «Glory?»
«Ich kann sie nicht noch einmal verlieren», sagte sie und seufzte tief.
«Ich weiß, ich weiß, mein Herz. Aber jetzt musst du dich beruhigen. Ja?»
«Ich kann sie nicht verlieren, Duncan. Oh, Gott steh uns bei!»
George erschrak über die Reaktion seiner Mutter. Er war dazu erzogen worden, sie schonend zu behandeln, und wusste, dass sie labil war. Doch weil
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