Wo Dein Herz Zu Hause Ist

allein mit all ihrem Unglück. Die Gleichgültigkeit der Fische reizte sie maßlos.
Mistviecher
. Doch sie fühlte sich so am Boden zerstört, dass ihr die Fische auch bald egalwaren.
Geht es einem so, wenn man am liebsten sterben will?
     
    Einen guten Teil des folgenden Tages verbrachte George mit Telefonanrufen bei italienischen Weinbauern. Sein jüngstes Projekt war ein Weinladen in Clontarf, und er war entschlossen, nur die besten Weine zu verkaufen und auf jeglichen Zwischenhandel zu verzichten. Also verließ er sich auf seinen Charme.
    Während seiner vielen Reisen hatte er mehrere Sprachen erlernt, einschließlich Französisch und Italienisch. Er war schon immer sehr sprachbegabt gewesen. Lachend hatte er Harri erklärt, er habe eben in jeder Sprache gut reden. Auch mit Dialekten hatte er keine Schwierigkeiten. Er hatte einfach ein Ohr dafür. Er konnte einen Texaner genauso gut nachahmen wie einen Italiener, einen Mexikaner, einen Engländer, einen Deutschen oder einen Franzosen und beherrschte sämtliche Dubliner Dialekte, ebenso wie die von Cork, Galway, Kerry, Belfast und so weiter. Er registrierte jede Nuance. Er musste die Aussprache nur einmal hören und erinnerte sich für immer daran. Ihre Mutter hatte einmal gesagt, an George sei ein Schauspieler verloren gegangen, worauf er zurückgegeben hatte, er sei zwar schwul, aber so schwul nun auch wieder nicht. In der kommenden Woche hatte er in Frankreich zu tun und stellte sich vor, dass er kurz über die Grenze nach Italien fahren würde und so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte. Er überlegte, ob er Harri mitnehmen sollte. Eine Reise würde ihr bestimmt guttun. Aber zuvor hatte er noch ein Abendessen hinter sich zu bringen.
     
    Gloria hatte fast den ganzen Tag bei ihrer Tochter verbracht. Sie hatte schon vormittags mit einem ganzen Korb Esswaren vor ihrer Tür gestanden. Harri hatte ihr erst aufgemacht, nachdem sie minutenlang beharrlich geklopft hatte. Harri sah furchtbar aus, dünn und blass. Es war klar, dass sie die ganze Zeit kaum etwas gegessen hatte.
    «Er kommt zurück», sagte Gloria.
    «Nein, das wird er nicht «, gab Harri zurück. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen vom vielen Weinen.
    «Doch, das wird er», beharrte Gloria. «Er wird zurückkommen.»
    Darauf reagierte Harri nicht mehr.
    «George ist zum Abendessen bei uns, willst du nicht auch kommen?», fragte Gloria.
    «Nein.»
    «Bitte.»
    «Ich bin völlig erschöpft.»
    «Also gut.»
    Harri war schweigsam. Sie hatte Kopfschmerzen, nachdem sie auch diese Nacht kaum geschlafen hatte, und obwohl sie sich unheimlich allein und verlassen fühlte, sehnte sie den Moment herbei, in dem ihre Mutter wieder gehen würde.
Du kannst mir nicht helfen, Mum. Wenn ich doch nur wüsste, warum mir das passiert ist.
    «Heute Nacht habe ich geträumt, dein Vater wäre Mel Gibson   – Mad Max Mel.» Gloria lachte leise. «Er saß in einem Ford Capri und hat sich über die erbärmlichen Bremsen beschwert.»
    «Ich habe heute Nacht ungefähr eine Stunde geschlafen», sagte Harri, «und in dieser Stunde habe ich geträumt, ich läge im Sterben.»
    «Oh, Schatz, das ist bestimmt nur die Erschöpfung»,versuchte ihre Mutter sie zu trösten, dennoch war sie bleich geworden.
    Nach dem Besuch bei ihrer Tochter fuhr Gloria auf den Parkplatz des Supermarkts, blieb im Auto sitzen und weinte. Fünf Minuten später stieg sie mit makellosem Make-up aus und traf Mona, die auf dem Weg zum Metzger war.
    «Hast du Zeit für einen Kaffee?», fragte Gloria.
    «Natürlich», sagte Mona lächelnd.
    Im Café erzählte Gloria ihrer Freundin, wie sehr Harri litt.
    «Das ist doch ganz verständlich. Sie sollte jetzt in den Flitterwochen sein; stattdessen sitzt sie allein in der Wohnung mit diesen verflixten Bartfischen.»
    «Mona!»
    «Sie sind vielleicht exotisch, aber hässlich sind sie trotzdem.»
    «Vor allem der eine sieht wirklich eklig aus», gab Gloria zu.
    «Sie wird darüber hinwegkommen», sagte Mona nach einem kurzen Schweigen.
    «Da bin ich nicht so sicher», sagte Gloria. «Sie liebt ihn. Wenn ich Duncan verloren hätte, wäre ich daran gestorben.»
    «Sie ist aber nicht du», gab Mona freundlich zurück.
    «Nein», sagte Gloria.
Sie ist eindeutig nicht ich
.
    «Gloria, es passieren noch viel schlimmere Dinge. Ich will nicht herzlos klingen, aber es ist so. Dein Duncan weiß das besser als irgendwer sonst.»
    «Ich habe sie noch nie so verzweifelt gesehen.»
    «Das kann man ja auch nur allzu gut