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Wo Dein Herz Zu Hause Ist

Wo Dein Herz Zu Hause Ist

Titel: Wo Dein Herz Zu Hause Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna McPartlin
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daran, wie aufgelöst der Arzt gewesen war. Er hieß Brendan. Die drei Männer saßen am Küchentisch, und der Arzt hatte den beiden anderen auseinandergesetzt, warum er nicht wollte, dass das Baby zu seiner Großmutter ins Haus kam, und dass offiziell am besten überhaupt niemand von seiner Existenz erfuhr. Father Ryan war ebenfalls der Meinung gewesen, das sei das Beste für das Kind; er erklärte sich bereit, mit der Mutter des Mädchens, dem Stiefvater und dem Jungen zu reden.
    «Ihrem Bruder?»
    «Nein. Dem Vater von   … dem Baby.»
    Harri sagte nichts mehr.
    «Der Arzt kannte ihn gut», sprach Duncan weiter. «Er wohnte sogar auf dem Grundstück seines Vaters. Sie war auf dem Weg zu dem Pförtnerhaus gewesen, in dem der Arzt lebte; jedenfalls glauben wir das.»
    «Und der Junge?» Harris Herz begann zu rasen. «Er war gerade bei seinen Großeltern in Meath.»
    «Wie hieß er?», fragte sie und legte die Hand an den Hals, als wolle sie von außen das Klopfen in ihrer Schlagader beruhigen.
    «Matthew Delamere.»
    Stille.
    «Sie waren beide noch halbe Kinder.»
    Stille.
    «Aber als ich mit ihm sprach, habe ich sofort gesehen, dass er sie wirklich geliebt hat. Er war völlig am Ende, hoffnungslos verzweifelt. Weißt du, ich habe erst damals begriffen, was es bedeutet, wirklich verzweifelt zu sein.»
    Stille.
    «Harri?»
    «Wusste er es?», fragte sie, und aus irgendeinem Grund kam es ihr plötzlich so vor, als habe ein Kind, ein Junge, den sie nicht einmal kannte, sie und ihre Mutter verraten. Sie schmeckte plötzlich etwas Bitteres auf der Zunge. «Er war damit einverstanden, dass du mich mitnimmst?»
    Duncan nickte. «Ja, Schatz.»
    Zuvor, während das tote Mädchen noch im Wald lag und der Junge nicht einmal zwei Autostunden entfernt ahnungslos im Gästezimmer seiner Großeltern schlief, hatten der Pfarrer, der junge Arzt und der Polizist in der Küche des Arztes bis zum Hellwerden bei Kaffee und Zigaretten zusammengesessen und einen Plan ausgebrütet. Duncan und Father Ryan würden zu dem Mädchen zurückkehren und sämtliche Spuren verwischen, die verraten konnten, dass sie schon gefunden worden war. Anschließend würde Duncan das Baby zu sich nach Hause bringen. Am frühen Vormittag würde der Arzt zu einer Laufrunde aufbrechen, bei der er das Mädchen «finden» würde. Dann sollte er die Polizei anrufen. Father Ryan würde benachrichtigt werden und verlangen, dass sein Bruder, ein hochrangiger Ermittlungsbeamter, eingeschaltet würde. Man würde ihm seinen Willen lassen, denn der Ortspolizist schuldete ihm nicht nur einen Gefallen, sondern fürchtete sich auch ein bisschen vor ihm. Außerdem war er mit einem Fall wie diesem ohnehin komplett überfordert. Duncan würde also erneut nachWicklow kommen und die Untersuchung übernehmen. Der junge Arzt würde den Totenschein ausfüllen, und der Pfarrer würde der Mutter des Mädchens die Nachricht beibringen.
    «Aber wie hat das funktioniert?», fragte Harri mit heiserer Stimme. «Wie konntet ihr einfach das Baby mitnehmen, ohne dass es jemand merkt?»
    «Es gab noch ein Baby», sagte er.
    Und nachdem Harri in diesem Augenblick keinen Herzinfarkt bekam, würde sie vermutlich niemals einen bekommen.
Das kann doch nicht wahr sein!
    «George war nicht der einzige Zwilling.»
    «Wie bitte?»
    «Du hast im Bauch deiner Mutter kaum genug Platz zum Atmen gehabt – und dein Schwesterchen lag tot neben dir im Gras.»
    Harri schlug sich die Hand vor den Mund, sie war sicher, dass sie sich gleich übergeben musste, was dann aber nicht geschah.
    «Tief einatmen», befahl Duncan.
    «Es geht schon», antwortete sie schwach.
    «Du hast diesen Blick», sagte er, «der, vor dem sich die Leute fürchten.»
    «Es geht schon, Dad.»
    «Dafür bist du aber ziemlich blass geworden.»
    «Erstaunt dich das?»
    «Nein, eigentlich nicht.»
    Sie schwiegen lange.
    «Aber warum?», fragte Harri schließlich.
    «Warum was?»
    «Warum waren Onkel Thomas und dieser Arzt so sehr darauf aus, dass ich nicht zu meiner Großmutter kam?»
    «Es gab Probleme. Dein richtiger Großvater war tot, und deine Großmutter hatte noch einmal geheiratet. Er war Alkoholiker und gewalttätig noch dazu, und deine Mutter wollte unbedingt weg von ihm. Sie war dem jungen Arzt sehr wichtig gewesen – sie war nicht nur irgendeine Patientin. Ich glaube, auf seine Art hat er sie geliebt.»
    «Was!?», rief Harri angewidert.
    «Nein, nicht auf die Art, Harri. Abgesehen davon war er damals selbst kaum älter als ein

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