Wo Dein Herz Zu Hause Ist
dass die Ausnahme die Regel bestätigt.
«Frag lieber nicht», sagte Melissa und gab es auf, den Riesenfleck auf ihrer Bluse verstecken zu wollen.
Harri schenkte ihr ein Glas Wein ein.
«Danke», sagte Melissa und trank einen großen Schluck.
«Kinder können einem das Leben ganz schön schwer machen», sagte Susan mit einem Seufzer.
«Ehemänner sind aber noch schlimmer!», verkündete Melissa, bevor sie das Glas wieder ansetzte.
«Das kann man wohl sagen», bestätigte Susan.
Harri schwieg und unterdrückte den Impuls zu weinen, denn die Szene führte ihr nur wieder einmal vor, dass sie weder Kinder noch einen Ehemann hatte. James hatte sie verlassen; sie vermisste ihn mehr, als sie es für möglich gehalten hatte, und Meerschweinchen zu halten, verbot höchstwahrscheinlich die Hausordnung.
«Bei dir alles klar?», fragte Melissa.
«Mir geht’s gut.» Sie zwang sich zu einem schiefen Lächeln.
«Du siehst aus, als hättest du Verstopfung.»
«Mir geht’s gut.»
«Da stehen Pflaumen auf der Karte», warf Aidan ein.
«Ich brauche keine Pflaumen.»
«Ich sag’s ja nur. Es kommt schließlich ziemlich selten vor, dass Pflaumen auf einer Speisekarte stehen.»
«Wo ist George?», wollte Melissa wissen.
«Er hat tausend Besprechungen mit Schreinern, Elektrikern und Installateuren», sagte Aidan, bevor er mit Melissa anstieß. «Man könnte glauben, er baut den blöden Buckingham Palace um. Er hat mich die ganze Woche lang anstreichen lassen und dann noch ständig an meiner Arbeit rumgemeckert.»
Aidan hatte ein bisschen übertrieben. George hatte viel zu tun, aber nicht so viel, dass er sich nicht zum Essen hätte verabreden können. In Wahrheit machte sich George nichts daraus, mit den drei Freundinnen auszugehen. Aidan hatte es langsam satt, immer neue Entschuldigungen für ihn zu erfinden. Deshalb hatten sie sich am frühen Abend sogar gestritten. Aidan wollte, dass George mitkam, besonders in Anbetracht dessen, was Harri gerade von Duncan erfahren hatte. Aber George wollte sich nicht umstimmen lassen. Er hatte keine Lust, seine Zeit mit Tratsch und Geschichten über Kindererziehung, Ehekrisen oder Aidans Lästereien zu verschwenden.
«Ich lästere nicht.»
«Das kannst du nur sagen, weil du dir noch nie selbst zugehört hast.»
«Deine Schwester braucht dich.»
«Und ich bin für sie da, aber allein.»
«Du kommst nie mit, wenn wir uns treffen.»
«Drei Frauen und du, das ist mir beim Essen echt zu viel. Melissa und Susan sind wirklich nett, und meine Schwester bedeutet mir alles, aber bloß weil ich schwul bin, muss ich ja wohl nicht auf Frauenabende stehen, oder?»
«Und wieso gefällt es dir, wenn sie zu Besuch kommen, aber nicht, sie im Restaurant zu treffen?»
«Fang lieber nicht an, Aidan.»
«Ich frag ja bloß.»
«Dann frag eben nicht. Ich habe meine Freunde, und du hast deine.» George ärgerte sich, dass sie zum tausendsten Mal den gleichen dummen Streit führten.
Aidan gab auf. Was hatte diese Diskussion für einen Zweck? Georges sogenannte Freunde waren allesamt Adrenalinjunkies, die, wenn sie nicht gerade aus Flugzeugen oder an Gummibändern von Brücken sprangen, darüber redeten oder es planten oder es schon wieder langweilig fanden. Sie kannten George überhaupt nicht, genauso wenig wie George einen von ihnen näher kannte. Sie hatten außer ihren Hobbys keinerlei Gemeinsamkeiten. Als George Hilfe bei seinem Business-Plan brauchte, war es Melissa, die sich drei Nächte um die Ohren schlug, um den Antrag für das Bankdarlehen zu schreiben; als er einen Rabatt bei der Inneneinrichtung brauchte, war es Sue, die alles für ihn regelte, und für den ganzen Rest verließ er sich auf Harri. Sie waren seine echten Freunde, und seine echten Freunde wollten einen Abend mit ihm verbringen, um die erschütternden Neuigkeiten der letzten Zeit gemeinsam besser zu verkraften. Aber es hatte ohnehin keinen Sinn, einem Mann wie George mit vernünftigenArgumenten zu kommen. Er hatte sich entschieden und damit basta.
Zum Abschied knallte Aidan die Tür hinter sich zu.
George war müde gewesen und hatte nervenaufreibende Gespräche mit einem Elektriker hinter sich gehabt.
«Ich fühle mich nicht wohl damit, die Punktstrahler an dieser Stelle einzubauen», hatte der Mann gesagt und die Arme vor der Brust verschränkt.
«Wie bitte?»
«Es fühlt sich für mich nicht richtig an.»
«Es muss sich ja auch nicht richtig anfühlen. Ich will es einfach so haben», hatte George scharf
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