Wo Dein Herz Zu Hause Ist
mit einem Meerschweinchen in der alten Wohnung. Ich denke ernsthaft darüber nach, mir ein Meerschweinchen anzuschaffen. Sagt das nicht alles?
«Ich muss los», sagte er.
«Ja, ich auch.»
«Bis dann.»
«Bis dann», gab sie zurück.
Früher hatte er sich immer mit ‹Ich liebe dich› verabschiedet. In Wahrheit war ihr das auf die Nerven gegangen, denn dann hatte sie ‹Ich liebe dich auch› sagen müssen, und das war in Ordnung, wenn sie telefonierten oder allein waren, aber es war ihr peinlich, wenn sie ‹Ich liebe dich auch› vor Fremden an der Bushaltestelle sagen sollte oder in einem Laden oder in der Schlange am Bankschalter oder womöglich in der Autowerkstatt, in der immer irgendein unterbeschäftigter Mechaniker herumstand, der dann so etwas rief wie: «Und was ist mir mir, Süße? Liebst du mich auch?» Sie hatte sich oft genug bei Aidan über dieses Ritual beschwert, aber jetzt, wo es nicht mehr stattfand, fehlte es ihr.
Nachdem sie festgestellt hatte, dass sie mindestens einmal in der Woche telefonierten, hatte sich Harri bemüht, James weniger anzurufen. Sie fürchtete, sich zu sehr auf ihn zu verlassen, denn wenn er eine neue Freundin finden würde, die über sie Bescheid wusste, dann dürfte sie bestimmt gar nicht mehr anrufen, und das würde sie nicht verkraften. Und trotzdem, als sie um drei Uhr morgens weinend das Foto ihrer Mutter angeschaut hatte, war ihr erster Impuls gewesen, mit James zu sprechen. Und nachdem er es nach drei Minuten am Telefon geschafft hatte, dass sie sich viel besser fühlte und das Gefühl hatte, endlich schlafen zu können, war sie froh, dass sie ihn angerufen hatte – auch wenn es manchmal schmerzhafter war, mit ihm zu sprechen als nicht mit ihm zu sprechen.
9. August 1975 Samstag
Ich habe einen tollen Tag mit Sheila verbracht. Es war heiß, und wir haben uns am Strand gesonnt und uns das Neueste erzählt. Es kommt mir vor, als wären wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr nur zu zweit gewesen. Sie hat erzählt, dass Dave jetzt mit so einem pseudomännlichen Gang herumläuft und ihre Mutter unheimlich beeindruckt, indem er mit ihr darüber diskutiert, wie viel man für guten Schinken bezahlen muss. Dann ist sie vor mir herumstolziert, um Daves Gang zu demonstrieren. Mrs. Brown von Brown’s Bakery, die gerade vorbeikam, wirkte nicht sonderlich beeindruckt, aber ich habe mich fast kaputtgelacht. Sheila meinte, ihr Dad denke darüber nach, die Bar zu verkaufen. Er stammt aus Kerry und wollte schon immer dorthin zurück. Sheila will auf keinen Fall, dass er verkauft, und hat anscheinend den Megaanfall bekommen, als er es bloß erwähnte. Sie meint, wenn ihre Eltern verkaufen, ziehen sie garantiert nach Kerry. Aber was würde dann mit ihr? Sie hat nur noch ein Jahr bis zum Schulabschluss.
Nachdem sie mit ihren Frisurenexperimenten nicht so erfolgreich war, überlegt sie jetzt wieder, ob sie Krankenschwester werden soll. Sie ist schon ziemlich sicher. Vor allem, nachdem Dave in eine Scherbe getreten ist, die sie herausgezogen hat. Anschließend hat sie die Wunde auch noch gereinigt und verbunden. Er hat geheult wie ein Baby, aber sie meinte, das ganze Gejammer hätte sie überhaupt nicht gestört, und
sie hätte trotzdem alles super gemacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie Krankenschwester wird. Auf jeden Fall ist sie autoritär genug dafür. Wenn Sheila jemandem sagen würde, er soll die Hinterbacke für die Spritze freimachen, dann macht er es.
Dr. B. hat mich am Mittwoch zum Tee eingeladen. Ich bin auf dem Weg zu den Stallungen am Pförtnerhaus vorbeigekommen. Ich fasse es immer noch nicht, dass ich wieder in den Stallungen arbeite. Ich wette, Matthews Dad hat mich nur aus dem Büro geworfen, weil ich ihn habe weinen sehen. Egal, es ist ja nicht schlecht bei den Pferden. Ich hatte Betsy und Nero richtig vermisst, und Henry ist ein viel netterer Chef, und außerdem ist es viel schöner, in Matthews Nähe zu sein und ihm beim Reiten zuzusehen. Er sieht im Sattel einfach großartig aus. Es ist wirklich schade, dass er viel zu groß ist, um Jockey zu werden, aber andererseits würde es ihm nicht stehen, klein zu sein. Jedenfalls hat mich Dr. B. auf eine Tasse Tee eingeladen. Wir haben über meine Hand geredet, und er hat sie mich ein paar Mal vor- und zurückbiegen lassen. Das Radio lief, und als der Song
Burn To Run
von einem Typ namens Bruce Springsteen kam, ist Dr. B. aufgesprungen, und wir haben in seiner Küche getanzt. Er hat mich
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