Wo der Elch begraben liegt
Woher kannten Sie Nathalie? Ich habe Sie auf der Beerdigung gar nicht gesehen. Konnten Sie vielleicht nicht kommen?«, hatte Johan wissen wollen.
» Ich kannte Nathalie gar nicht und es tut mir sehr leid. Aber ich komme aus einem anderen Grund. Fühlen Sie sich hier wohl?«
Erst vor ein paar Tagen hatten die Handwerker die letzte Plastikfolie vom Fußboden abgezogen. Innerhalb des letzten Monats hatte der gemeinsame Aufenthaltsraum von Cartago in der dritten Etage einen völlig neuen Charakter erhalten. Die spießige IT-Atmosphäre, die Stahlrohre und die exklusive italienische Espressomaschine, die immer defekt war und die Mitarbeiter mehr nervte als positiv inspirierte, waren verschwunden. Stattdessen gab es jetzt eine normale, betriebssichere Kaffeemaschine, und die steifen weißen Möbel waren mit runden Tischen aus hellem Holz und passenden roten Kunststoffstühlen aufgelockert worden. Auf der anthrazitgrauen Arbeitsplatte stand ein Karton mit grünen Delicato-Punschrollen, auf dem ein Slogan prangte, der auf die übliche Fett-Panik anspielte: Garantiert keine Ballaststoffe. Magnus Nyström wischte ein unsichtbares Staubkorn von seinem grauen Jackett, nahm den Karton in die linke Hand, die Präsentationsmappe in die rechte und lief mit energischen Schritten auf den Konferenzraum am Ende des Korridors zu. Was er präsentieren wollte, war gut– das wusste er. Der Stil war einfach und ausgewogen, das Design völlig zeitgemäß, und das Budget bewegte sich immer noch im Rahmen. Er hatte sich sogar einen guten Scherz über den neuen Delicato-Slogan zurechtgelegt, mit dem er die Besprechung einleiten wollte. Von Beginn an würde es gute Stimmung und Gelächter geben, und dann hätte er leichtes Spiel. In einer Stunde würde er wieder der Liebling des Marketingchefs und der Geschäftsleitung sein. Nichts könnte ihn daran hindern, sie in Erstaunen zu versetzen.
Frida war eigentlich nicht besonders erstaunt, als die SMS kam. Sie passte in das Schema, das sich immer dann zeigte, wenn sie sich mit Peter treffen wollte. Natürlich hatte sie die Mitteilung, dass er direkt von der Arbeit zu der Party gehen werde und sie sich den Schlüssel zu seiner Wohnung im Laden an der Ecke abholen sollte, mit einer gewissen Enttäuschung aufgenommen. Sie war etwas weiter entfernt am Funkhaus in Gärdet herumgekreist, bevor sie verstanden hatte, wie sie über den Valhallavägen fahren musste, um nach rechts, auf die Rückseite des Tessinparkens zu kommen. Gleichzeitig war es auch ein bisschen spannend, seine Wohnung zu sehen, wenn er selbst nicht dort war. Östermalm war ja sehr angesagt. Klar, dass Peter genau hier wohnte.
In der Erik Dahlbergsgatan gelang es ihr schließlich, den großen, rostüberzogenen Volvo zwischen zwei SUVs zu parken. Sie betrat den Eckladen, kaufte ein paar Sachen fürs Frühstück sowie die Abendzeitungen und fragte den jungen Typen an der Kasse beim Bezahlen nach dem Schlüssel. Sie überlegte, ob sie wohl nur eine in der Reihe der Frauen wäre, die sich den Schlüssel holten, und ob der Typ an der Kasse jetzt dachte: Aha, es war wohl wieder an der Zeit, das nächste Mädchen.
Im chinesischen Restaurant gegenüber bestellte sie Huhn mit Cashewnüssen zum Mitnehmen.
» Stäbchen? Scharfe Sauce?«, fragte der kleine Mann hinter der Theke, während er ihre Bestellung in eine Papiertüte packte.
» Beides, danke«, erwiderte Frida und bezahlte.
Der Code für die Eingangstür stand auf dem Kuvert. Es war ein ganz gewöhnliches Treppenhaus. Sie nahm den Aufzug in die zweite Etage, stieg aus, fand die richtige Tür mit dem handgeschriebenen Klingelschild » Engström«, schloss auf und betrat die Wohnung. Es war dunkel und roch muffig. Als sie das Licht einschaltete, sah sie, dass die Wohnung nur aus einem kleinen Zimmer mit Kunststoffteppich, einer winzigen Kochnische und einer Dusche bestand, in der es nach Schimmel roch. Es gab einen kleinen, wackeligen Tisch, zwei Stühle und eine Matratze auf dem Fußboden. Der Zeitungsausschnitt über den unter Drogen stehenden Schauspieler war an die Wand gepinnt. Peter hatte die Verfasserzeile mit seinem Bild auf einem Kopierer um ein Vielfaches vergrößert, ausgeschnitten und daneben gehängt.
Erstaunt ließ sich Frida auf die Matratze sinken. Hier war es überhaupt nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. So spartanisch und völlig unglamourös. Sie legte sich hin. Die Bettwäsche roch nach Peter. Das Gefühl aus dem Herbst kehrte wieder in ihre Erinnerung
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