Wo der Elch begraben liegt
verlassen und durch eine fünfzehn Jahre jüngere Frau ersetzt zu werden, war mehr, als Monas Psyche bewältigen konnte. Nachdem sie die ersten zwei Jahre nach der Scheidung hinter heruntergelassenen Rollos und mit ständigen Krankschreibungen und wiederholten, wenn zwar nicht ernsthaften, aber dennoch scheußlichen Selbstmordversuchen verbracht hatte, hatte ihre Umgebung die Hoffnung gehegt, dass sie sich langsam wieder zu erholen begann. Als sie jedoch die Nachricht von Carstens und Ninnes bevorstehender Hochzeit in der Masthuggkirche erreichte, lief sie schnurstracks zu ihrem Auto, nahm die Landstraße nach Gråbo, wo sie sich einen einsamen und ausreichend nahe der Fahrbahn stehenden Baum aussuchte, am Straßenrand anhielt, ausstieg und das mitgebrachte Motoröl aus dem Kofferraum holte, hundert Meter weiterlief, eine passend große Lache auf die Spurrillen goss und dann zurück zu ihrem Wagen ging. Mit einer Geschwindigkeit von dreißig Stundenkilometern fuhr sie genau durch die Öllache und steuerte zielbewusst auf den Baumstamm zu. Nachdem sie sich von dem Aufprall erholt hatte, wählte sie 110, erklärte, dass sie durch einen Ölfleck auf der Straße vom Weg abgekommen sei, und bestellte einen Krankenwagen. Zwei Wochen im Krankenhaus Sahlgrenska änderten nichts an Monas Unglück. Carsten kam nicht zu Besuch. Und die Hochzeit wurde nicht abgeblasen. Das Einzige, was geschah, war, dass ihr Arzt, Dr. Antonsson,die Menge der Antidepressiva erhöhte und außerdem die Dosis Schmerzmittel für das Schleudertrauma sowie das Sobril für die Nerven heraufsetzte. Als Mona ein Jahr später hörte, dass Carsten und Ninne ein Kind erwarteten, fuhr sie mit ihrem inzwischen reparierten roten Honda zu Carstens Büro in der Övre Husargatan, wartete draußen, bis er herauskam, ging zu ihm und spuckte ihm direkt ins Gesicht. Gott sei Dank unternahm sie nichts weiter, als drei Jahre später Kind Nummer zwei unterwegs war. Doch als Carsten im Zusammenhang mit seiner aktuellen Buchveröffentlichung erklärte, er wolle sich seine Jugendträume erfüllen und mit seiner Familie auf einen alten Hof auf Mallorca ziehen, verwandelte sich in Monas Augen ganz Südeuropa in eine pestverseuchte Zone, wo nur Verräter hinfuhren.
Die Beziehung zwischen Mona und Frida war alles andere als unkompliziert. Obwohl Frida nicht anrufen wollte, tat sie es trotzdem. Nach achtmaligem Klingeln hatte noch immer niemand abgenommen. Frida wollte gerade auflegen, als sie ihre Mutter mit einem Seufzer antworten hörte.
» Hier ist Frida. Du hast mich angerufen?«
» Ja, du meldest dich ja nie.«
» Jetzt mach ich es doch. War was Besonderes? Ich bin etwas in Eile.«
» Tja, wenn du so viel Wichtiges zu tun hast, dann will ich lieber nicht stören.«
Frida holte Luft und zählte bis zehn. »Heute Abend ist Semesterabschlussparty, und ich hab weniger als eine Stunde, um mich zu duschen und umzuziehen.«
» Ich wollte nur sagen, dass du dir wirklich etwas Zeit nehmen solltest, um mir bei der Weihnachtsplanung zu helfen. Ich kann mich einfach nicht mehr um alles in der Welt kümmern. Ich hab noch keine Weihnachtsgeschenke und kein Weihnachtsessen gekauft. Aber das spielt ja keine Rolle, denn wahrscheinlich kommt sowieso niemand hierher.«
» Jetzt mach doch kein Drama daraus. Es sind doch bloß du und ich und Richard.«
Richard war Fridas drei Jahre jüngerer Bruder, der Jura in Boston studierte. Er sollte über Weihnachten nach Hause kommen, hatte aber die Angewohnheit, sämtliche familiären Verpflichtungen mit dem Hinweis abzuschmettern, er müsse schließlich die Kontakte zu seinen Freunden pflegen, wenn er schon mal zu Hause sei.
» Leicht gesagt, dass man keine große Sache daraus machen soll, wenn man wie du am Anfang seiner Karriere steht und noch alles Schöne vor sich hat.«
Frida schluckte hart.
Sie wollte am liebsten sagen, dass es nicht besonders schön war, eine Mutter zu haben, die bloß ständig ihr eigenes Leben und ihr Unglück wiederkäute.
» Ich habe nicht so viel zu feiern«, sagte Frida. » Wir haben heute unsere Praktikumsplätze bekommen.«
» Ach ja? Aftonbladet und Expressen müssen sich doch sicher um dich prügeln.«
» Leider nicht.«
» Das ist aber komisch. Du musst doch mit deiner Begabung die Beste in der Klasse sein. Wieso wollen die dich nicht haben?«
» Das wüsste ich auch gern. Es liegt wohl daran, dass ich irgendwas getan oder nicht getan habe.«
» Aber Fernsehen oder Radio? Hast du da auch keinen
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