Wo der Elch begraben liegt
hasste es, diese Unruhe an ihm zu bemerken, wenn sie zu viel zeigte, zu viel wollte. Oder war es ihm egal? Aber warum saß er dann so weit weg? Sie mochte diese Gedanken nicht. Sich cool zu geben, war das Einzige, was hier funktionierte. Cool und gleichgültig.
Torkel tauchte neben ihr an der Bar auf; seine Zähne waren rot vom Wein. Die entspannende Wirkung des Alkohols gab seinem Gesicht einen anderen Ausdruck. Plötzlich waren die Augenringe und sämtliche Falten erkennbar. Er sah alt, müde und streitlustig aus und schwankte bedenklich.
» War dein Wein umsonst? Na klar war er das! Du bekommst ja immer alles serviert!«
Frida erkannte den Ton vom Fest im letzten Jahr und dem Fest davor wieder und entschied sich für eine positive Reaktion. »Wie geht’s, Torkel? Solltest du dich heute Abend nicht amüsieren?«
» Kapierst du nicht, was morgen auf mich wartet? Drei Kinder mit Mittelohrentzündung und Kolik und eine Frau, die immer nur sauer ist, weil › ich mich selbst verwirkliche‹«, erwiderte Torkel. » Ach Frida, heirate bloß nie, schaff dir keine Kinder an und werd nicht älter. Als ich dreiundzwanzig war, war das Leben ein Spiel. Da war alles top. Da nimmt man sich alles, was man haben will, und alle wollen einen haben. Man ist unsterblich, und die Welt steht einem offen.«
» Ich weiß wirklich nicht, ob ich mich darin wiedererkenne«, erwiderte Frida.
» Nee, denn du bist ja bloß so ’ne kleine selbstgefällige Maus, der man Zucker in den Hintern geblasen hat. Wenn man einen bekannten Autorenpapa hat, der einem alle Türen öffnet, braucht man sich ja nicht an die Regeln zu halten.«
Obwohl Frida wusste, dass dies zu Torkels üblichem Besäufnisjargon gehörte, konnte sie doch nicht umhin, sich provoziert zu fühlen. Es war zwar keine tolle Idee, sich hier auf eine Diskussion einzulassen, doch gleichzeitig ärgerte es sie, dass er dort stand und den Leuten mitten auf dem Fest Gemeinheiten ins Gesicht schleuderte.
» Was weiß denn die kleine Frida Fors schon vom Leben? Nada! Wie kann eine wie du bloß Journalistin werden? Du weißt doch gar nicht, wie das Leben für uns gewöhnliche Sterbliche ist. Das wirst du nie verstehen. Nie!«
Frida atmete flach und dachte angestrengt nach, auf welche Art sie jetzt kontern sollte.
» Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, wieso deine Frau ständig sauer auf dich ist? Wenn ich du wäre, würde ich das mal tun. Und sei bloß dankbar, dass sie dich überhaupt noch haben will.«
Wütend wandte sich Frida von der Bartheke ab und wollte auf den Platz in der Ecke zusteuern, aber der Stuhl war nicht mehr frei. Ann-Louise Andersson hatte sich neben Peter und Örjan Berg niedergelassen. Frida lehnte sich an die Wand und probierte den Rotwein. Er schmeckte nur sauer und ekelhaft. Was Torkel gesagt hatte, tat ihr weh, obwohl sie wusste, dass es nur dummes Gerede war. Weshalb wollte sie unbedingt Journalistin werden? Wen wollte sie damit beeindrucken? Und jetzt sollte sie in die Ödnis hinaus, anstatt das tolle Leben zu führen, das man als Dreiundzwanzigjährige haben sollte.
Die Coverband erschien und schloss die Gitarren an dem Verstärker auf der niedrigen, schwarz gestrichenen Bühne an. Der Drummer aus der Parallelklasse testete ein paar Mal die Bassdrum, spannte die Feder an der Wirbeltrommel und machte ein paar Schläge mit dem Trommelstock. Frida trank noch etwas Wein und stellte sich weiter nach vorn, um einen guten Blick zu haben. Als das Lokal deutlich zu schwanken begann, stützte sie sich an der Wand ab. Sie sollte wirklich nichts mehr trinken. Die Beleuchtung im Lokal wurde gedämpft, farbige Scheinwerfer wurden eingeschaltet, und ein weißer Lichtkegel fing den Sänger ein, als er den ersten Song anstimmte. Wie Kakerlaken wurden die Partygäste von der Tanzfläche angezogen; es wurde eng und warm. Frida wurde nach vorne und zur Seite gestoßen. Als sie eine Umarmung von hinten spürte, dachte sie intuitiv, dass es Torkel war, und machte sich zum Befreiungsschlag bereit, doch dann nahm sie plötzlich Peters Duft war und spürte, wie sich sein vertrauter Körper dicht an sie drückte.
Mit seiner hell klingenden Stimme flüsterte er ihr ins Ohr: » Wie geht’s denn meiner kleinen Starreporterin?«
Frida seufzte und lächelte in die Dunkelheit hinein. Endlich.
» Geht so… Es war nicht gerade das, was ich mir erhofft habe. Und dir?«
» Könnte nicht besser sein. Ich habe den Westfront -Artikel heute Nachmittag an Aftonbladet
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