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Wo der Elch begraben liegt

Wo der Elch begraben liegt

Titel: Wo der Elch begraben liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Hjulstroem
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kommen, sich umziehen und dann zu Cilla fahren wollte, musste sie jetzt schnell ihre Bücher, Hefte und Arbeitsproben aus dem Schrank holen und zur Straßenbahn hasten.
    Langsam schlängelte sich die Bahn durch die Stadt. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Obwohl es ein Wochentag war, wimmelte es in der Innenstadt von Leuten. Der Brunnsparken erstrahlte in roter und blauer Weihnachtsdekoration. Göteborg war zu einer » Weihnachtsstadt« geworden, ohne dass jemand wirklich verstanden hatte, wie es dazu gekommen war. Ein paar erschöpfte Weihnachtseinkäufer stiegen ein und suchten verzweifelt nach einem Sitzplatz. Die meisten mussten stehen. Frida hatte einen Platz ganz hinten ergattert.
    Es ging unsäglich langsam. Die Durchschnittsgeschwindigkeit einer Straßenbahn im Zentrum von Göteborg liegt angeblich bei elf Kilometern pro Stunde. Wenn man es eilig hat, kann einem dieses Kriechtempo ganz schön auf die Nerven gehen. Frida wollte bloß nach Hause. Nach Hause und sich über die eigene kleine Staatskrise ausheulen, ohne dass es jemand bemerkte. Auf dem Weg in Richtung Osten passierten sie den Hauptbahnhof, fuhren durch Stampen, Olskroken und über den Redbergsplatsen. Erst auf dem Hügel am Härlanda-Gefängnis nahm der Wagen etwas mehr Fahrt auf. Frida drückte auf den Halteknopf und stieg aus. Sie überquerte den geschäftigen Härlandavägen und lief im Dunkeln die Sofiagatan hinauf.
    Strömmensberg war ein typisches Viertel aus den vierziger Jahren: ein kahler, windgepeitschter Hügel mit hellgelben und sauberen vier-, fünf- und sechsstöckigen Häusern. Zwischen den Häusern befanden sich offene Grasflächen, Bänke und Wäschestangen, die niemand benutzte. Früher hatte es hier Lebensmittelläden, Bekleidungsgeschäfte und Cafés gegeben. Jetzt gab es nur noch ein Beerdigungsinstitut. Der Wind blies heftig. So war es fast immer. Hier waren keine Bäume oder natürliche Schutzmöglichkeiten, bloß offene Flächen, hohe Häuser und vom Wind gemarterte Rentner. Und sie.
    Fridas kleine Einzimmerwohnung lag in der Storhöjdsgatan, hinten in der Sackgasse und ganz oben. Sie überlegte kurz, über die Treppe in die vierte Etage zu laufen, doch die schwere Tasche mit den Büchern ließ sie den Aufzug nehmen, bei dem es sich um den vermutlich langsamsten Aufzug Europas handelte…
    Die Wohnung war stockduster. Frida schlug ein schwacher Geruch von der Mülltüte entgegen. Sie schaltete die Deckenlampe im Flur ein, hob die Post auf, die sich hinter der Tür gestapelt hatte, und warf sich aufs Bett.
    Sie tat sich selbst unendlich leid. Als die Anspannung nachließ, kamen die Tränen. Gleichzeitig schämte sie sich, dass sie so eine große Sache aus etwas machte, das streng genommen keine wirkliche Katastrophe war. Dennoch, es war derart ungerecht, dass es schmerzte. Peter hatte bekommen, was er wollte. Cilla hatte bekommen, was sie wollte. Sogar Torkel und Ann-Louise hatten mehr oder weniger bekommen, was sie sich gewünscht hatten. Warum bloß sie nicht? Warum musste Frida Fors im totesten Winkel von ganz Südschweden landen? Und wie zum Teufel sollte sie einen guten Job machen, wenn an diesem Ort sowieso nie etwas passierte. Das Einzige, was sie dort lernen könnte, wäre Däumchen zu drehen und sich zu langweilen. Oder sich auf irgendwelchen Handarbeitskränzchen oder Verkehrsausschüssen abzurackern, ohne etwas dafür zu bekommen, während Peter in Stockholm Premierenfeiern besuchte, über das schrieb, was wirklich wichtig war, und sich einen Namen in der Branche machte.
    Das Handy gab ein Pling von sich. SMS von Mama. Darin stand lediglich: » Ruf doch irgendwann mal an.« Frida wollte nicht. Sie wollte es wirklich nicht.
    Mona Fors war Berufsberaterin an einem Gymnasium in Partille. Seit ihrer Scheidung vor sieben Jahren hatte sie sich in einem mehr oder weniger konstanten Zustand der Depression befunden. Sie hatte alle Voraussetzungen, um als äußerst attraktive Frau im Alter von fünfundfünfzig Jahren ein angenehmes Leben zu führen. Sie war gut ausgebildet, sozial kompetent, hatte einen guten Job und eine schöne Wohnung, sah für ihr Alter ziemlich jung aus und hatte zwei wohlgeratene Kinder. Doch anstatt sich auf das Positive in ihrem Leben zu konzentrieren, hatte sie entschieden, sich an das zu klammern, was sie nicht mehr hatte: Fridas Vater. Ein Leben ohne Carsten war in ihren Augen ein sinnloses Leben, ein Leben, das man nur in Bitterkeit und Trauer fortsetzen konnte. Im Alter von achtundvierzig

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