Wo der Elch begraben liegt
lachte. Es kam ihr merkwürdig vor.
» Dann also morgen?«, fragte Dani.
» Vielleicht.«
» Komm morgen um sieben.«
Das erste Mal überhaupt schrieb Frida gegen die Deadline an. Sie hatte nur noch zwanzig Minuten, um die Antwort der Telefonbuchfirma und das Gespräch mit Harald Larsson auf verständliche Weise in den Text einzuarbeiten, danach die Bildunterschriften zu formulieren und sie in der richtigen Reihenfolge zu nummerieren, sodass der richtige Text auch beim passenden Bild landete. Schnell lud sie die Bilder auf den Computer und überprüfte noch einmal, ob alles übereinstimmte. Eine Minute nach fünf drückte sie auf Senden. Eine Minute später rief sie die Redaktion in Eksjö an und fragte nach Annika, die säuerlich erwiderte, dass sie rechtzeitig geliefert habe, es aber schön gewesen wäre, wenn sie es etwas zeitiger geschafft hätte.
» Beim letzten Mal hast du gesagt, dass ich zu schnell war«, erwiderte Frida, bevor sie richtig nachdenken konnte.
Endlich einmal hatte Frida nicht die Absicht, die Schuld für die Unzufriedenheit einer anderen Person auf sich zu nehmen. Tatsächlich hatte sie die Situation gerettet. Außerdem musste sie auch noch Kalle zurück nach Eksjö fahren. Er lag auf dem Sofa und schlief mit offenem Mund.
Annika sah die Dokumente in der E-Mail durch und stellte fest, dass alles angekommen war. Sicherlich würde das Ganze ein wenig dünn wirken, besonders dann, wenn es keine guten Bilder gäbe…
» Ich werde wohl dieses Bild von Anders Skogby am Straßenrand nehmen. Da sieht er so aus, als ob er sich vor seinen eigenen Schäferhunden fürchtet«, sagte Annika. » Das wird lustig. Und zumindest hat er keine roten Augen.«
Frida dachte kurz nach. Sie hatte ja noch mehr Material. Sollte sie darauf hinweisen?
» War sonst noch was?«, fragte Annika genervt. » Ich müsste dringend weiterarbeiten.«
» Ich habe noch den Text, den ich für die Bildreportage geschrieben habe. Die sollte doch morgen rauskommen, zusammen mit Kalles Bildern. Willst du den noch mit reinbringen?«
» Ist der denn fertig?«
» Ich kann dir viertausend Zeichen liefern… in einer Viertelstunde.«
Annika sagte nichts. Frida konnte hören, wie sie in den Hörer atmete und intensiv auf ihrem Kaugummi herumkaute. Die Pause dehnte sich in die Länge.
» Ja, das wäre besser«, sagte Annika. » Aber dann brauchst du noch ein Bild für die Verfasserzeile.«
» Aber ich hab kein Bild«, sagte Frida.
» Weck Kalle auf. Bitte ihn, die Wand schön auszuleuchten, und dann soll er ein Porträt von dir machen und es rübermailen. Ich brauche das spätestens in einer halben Stunde. Und jetzt hab ich wirklich keine Zeit mehr für dich.«
5
In einem rechteckigen Raum mit rechteckigem Fenster, vor dem ein hellblaues Rollo mit weißen Möwen hing, lag ein Mann in einem weißen Doppelbett mit Handgriffen im Bauernstil. Er hatte die Hand auf die Brust gelegt und fragte sich, ob der zentimetergroße Punkt genau über dem Herzen weniger schmerzen würde, wenn er einen dünnen Brieföffner nähme und ihn sich zwischen die Rippen steckte, genau mitten in den Schmerz. Vielleicht würde es wie eine Art Akupunktur funktionieren, wenn das Blut herausströmte und hälfe, den Schmerz von der befallenen Stelle wegzutransportieren? Das Herz. Immer das Herz. Er hoffte beinahe, dass es sich um einen Infarkt handelte. Strahlte es nicht einen Hauch in den linken Arm hinein? Konnte er wirklich richtig atmen? War ihm nicht ein wenig schwindlig? Könnte er nicht einfach einen Krankenwagen rufen, um danach weggebracht, betäubt, versorgt zu werden, lebendig oder tot? Er hasste die Sonntage. Einsame Stunden, deren Sekunden durch seinen bereits viel zu schweren Körper tickten. Es war nicht weiter verwunderlich, dass sie nicht hatte bleiben wollen– Marianne. Momentan schaffte er es ja nicht einmal selbst, sich im Spiegel anzusehen. Der bleiche Schmerbauch, das Doppelkinn, das lichte Haar, die Ringe unter den Augen. Zum Teufel, womöglich war sogar sein Pimmel eingeschrumpft.
Der Augenblick auf dem Parkplatz machte ihm schwer zu schaffen. Ein einziger Mensch betrachtete ihn derzeit mit Respekt, und nun war auch das zerstört.
Warum musste sie, die Kleine, ihn unbedingt sehen? Als er aus dem Auto gestiegen war, hatte er gedacht, dass sie direkt durch seine Wildlederjacke hindurchsehen könnte, all seine Unzulänglichkeiten und Misserfolge, seine vollständige Demontage als Mann erkannt hätte. Da war sie gekommen, schön und
Weitere Kostenlose Bücher