Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
weiteres langes Lachen, bevor eine Frau erschien. Ilona zeigte sich nun überfordert; Ort und Geschehen waren im Moment zu viel für sie, sie plapperte beim Erscheinen der unbekannten Frau schief: „Sie sind zum Haus, vermute ich.“
Die Frau streckte lächelnd ihre Hand aus. „Frau Reiff mein Name. Schönen guten Tag... Ich bin so was wie eine Krankenschwester. Sie sehen mich nur deswegen nicht im Kittel, weil wir auch als Dienstkleidung zivil tragen... Sie sind Frau Semmler, nehme ich an.“
Vor dem letzten Satz war ihr Blick fest zum Professor gewechselt, dem darauf sofort danach war, so zu tun, als fühle er sich angesprochen. „Die Weiblichkeit meiner Seele muss Sie zu dieser Vermutung veranlassen, verehrte Frau Reiff.“
Dem Schmunzeln des Quartetts folgte ein erneutes Lachen aus dem Haus, wiederum ausgesprochen laut. „Sie sind sich sicher“, sprach der Professor zu Frau Reiff, „dass in Ihrem Haus wirklich tendenziell gestorben wird?“
„Im Durchschnitt nach 17 Tagen“, entgegnete Frau Reiff trocken, die sich sodann mit einem Grinsen als stellvertretende Leiterin des Hospiz vorstellte.
„Als Professor würde ich aber gern von dem Leiter begrüßt werden... Ich nehme an, dass ein so qualifizierter Job nur von einem Mann ausgeübt werden kann.“
Nichts konnte Frau Reiff vom Grinsen abbringen, sie mochte den Schalk des Professors sofort. „Wir haben eigentlich keinen Leiter. Alle Beschäftigten begreifen sich als gleichberechtigte Mitglieder eines Vereins.“ Frau Reiff wählte eine Kunstpause. „Auch die Mitglieder mit Glied.“
Anerkennend guckte der Professor verdutzt. Er überlegte eine passende Weiterführung, wurde darin jedoch durch eine Äußerung seines Helfers unterbrochen. „Bei nur acht Patienten ist ein solch basisdemokratisches Modell wahrscheinlich gut umzusetzen.“
Der Professor schaute, als sei er nicht überzeugt davon, dass eine solche Äußerung für das Bestehen einer Zwischenprüfung reicht.
„Wir sprechen nicht von Patienten, sondern von Gästen“, antwortete Frau Reiff, die ihre Augen kaum vom Professor lassen konnte.
Der hielt dem Blick gerne stand, als er sagte: „ Gästinnen muss es heißen. Jedenfalls würde darauf eine dicke Gleichstellungsbeauftragte bestehen...“
„Die sind doch alle dick“, kam es vom Helfer.
Einen Moment guckten alle dumm. Dann platzte es aus Ilona heraus: „Sagt mal, worüber reden wir hier eigentlich! Drinnen ist mein Mann, und weder ihm noch mir geht es besonders gut. Können wir bitte...“
„Natürlich, Frau Semmler. Kommen Sie bitte rein“, unterbrach Frau Reiff mit einem Lächeln und drehte sich mit einer einladenden Armbewegung zur Seite. Der Helfer ging vorneweg, Ilona hinterher. Es folgten nebeneinander der Professor und Frau Reiff.
In dem großen, weiträumigen Flur des ehemaligen Landhotels begegnete den Vieren zuerst kein Mensch. Statt dessen machten eine Katze und zwei Hunde auf sich aufmerksam. Schön aneinandergereiht lagen sie vor einer Theke, die zurzeit des Landhotels mal die Rezeption dargestellt haben muss.
Der Professor winkte mit seiner freien Hand Richtung Tierwelt. „Ein Hospiz für sterbende Tiere. Ich bin begeistert.“
Frau Reiff schmunzelte. Ilona guckte dem Professor weggetreten in die Augen, was der umgehend als einen fragenden Blick interpretieren wollte. „Ilona, was hier abläuft ist ganz große Klasse! In diesem Haus repariert sich die Moderne! Das schlechte Kollektivgewissen wegen Auschwitz führt zur Humanisierung der Tierhaltung, finanziert vom Tierschutzbund, der Vitakraft-Stiftung und großzügigen Einzelspenden ehemaliger Elfenbeinjäger.“
Erneutes Gelächter im Haus, welches nur schwer zu verorten war.
„Die Haustiere unserer Gäste sind bei uns herzlich willkommen. Manfred hat sich übrigens mit Höttges angefreundet“, klärte Frau Reiff auf und zeigte auf den großen Bernhardiner, der zwischen der Katze und dem Dackel lag. Bei Nennung seines Namens sprang Hund Höttges sofort auf und wedelte freudig mit dem Schwanz.
Herr des Hundes war ein gewisser Heinz Mastort, der sich Manfred gleich nach dessen Ankunft mit „Werder-Fan und sonst gar nichts“ vorgestellt hatte. „Wir freuen uns immer, wenn sich unsere Gäste miteinander anfreunden und das scheint zwischen Manfred Semmler und Heinz Mastort längst geschehen zu sein“, sagte Frau Reiff mit Blick in das weitgehend offen liegende obere Stockwerk. Zwei Türen standen offen.
„Danke für Ihre Einführung, Frau Reiff.
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