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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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daraufhin nur lapidar.
    Aber vorerst wollte Manfred sich seiner Einschätzung nicht sicher sein. So kam es zur nächsten OP. Aus dem Knie wurde etwas Knochenmaterial entfernt, was ihn zukünftig, sofern er sich gehend fortbewegte, humpeln ließ. „Erfolgreiche OP“, kommentierte der Chirurg nichtsdestotrotz und meinte die Erledigung des Metastasenbündels. „Ist klar“, antwortete Manfred noch zurückhaltend. Erst als eine Krankenschwester davon sprach, dass man zu einem späteren Zeitpunkt ein künstliches Gelenk einsetzen könnte, mit dem man „dann auch regelmäßig Sport machen könnte“, reagierte Manfred borstig: „Zehnkampf würde mich interessieren.“
    In der Tat entsprach die Aussicht auf systematisch durchgeführte körperliche Ertüchtigung nicht den aktuellen Naherfahrungen in Manfreds Leben; man darf getrost vom Gegenteil sprechen. Denn nun war es soweit, Manfred war ein Pflegefall geworden.
    Bald sah sich der Professor in einem der Telefonate mit Ilona herausgefordert, Manfreds Krankheitsverlauf mit einem bemerkenswerten Vergleich zu beschreiben: Die Organe, die entweder direkt von Metastasen befallen oder infolge allgemeiner körperlicher Schwäche in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt waren, würden „ähnlich verrückt spielen wie die entfesselte Marktwirtschaft.“ Für sich genommen, könnten, so der Professor, Magen, Leber und Niere zwar noch eine zuweilen hohe Logistik aufrechterhalten – halt ganz wie ein gut geführter Wirtschaftsbetrieb –, aber im Zusammenspiel miteinander zeigten sich Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit und sorgten sie für allerhand Verwerfungen, ganz so, wie es diese so gut geführten Wirtschaftsbetriebe dann tun, wenn sie ihre Produkte auf den Markt werfen und die Ellbogen gegen ihre Konkurrenten ausfahren müssen.
    Ilona fand die Darlegungen wenig hilfreich, was sie dem Professor auch umgehend sagte: „Was sollen deine Äußerungen? Manfred ist sterbenskrank und du kommst hier mit irgendwelchen Kopfgeburten, die mich überhaupt nicht interessieren.“
    Ilonas gestresster Ton erinnerte den Professor augenblicklich daran, was sie bei der Pflege wohl alles aushalten musste. „Du hast recht... Vielleicht sollte ich mich mal fragen, was mich zu meinen unpassenden Äußerungen in letzter Zeit treibt.“
    Das stellte eine Art Entschuldigung dar, die Ilona aber kaum wieder ruhiger werden ließ. Der Stress blieb in ihr verhaftet; ihre Aversionen gegen den komischen Vergleich des Professors stellte eine Initialzündung dar, ihre erfahrenen Belastungen nun endlich mal herauszuschreien. Der Professor wusste, was zu tun ist. Er hörte zu.
    „Gestern“, begann Ilona, „hat er sich übergeben.“
    Das ist nicht unbedingt etwas, was denjenigen, der das mit ansieht, in den Selbstmord treiben muss, dachte der Professor.
    Ilona sprach weiter: „Die Organe hatten, das hast du schon ganz richtig gesagt, verrückt gespielt. Er übergab etwas, was mir wie sein eigener Stuhl schien.“
    Auch so etwas, dachte der Professor diesmal, endet beim Beobachter nicht zwangsläufig im Freitod. Aber Verzweiflung ist bei einem solchen Anblick wahrscheinlich unausweichlich.
    Ilona setzte ihre Berichterstattung fort. „Manfred hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen.“
    Das Bedürfnis, Ruhe vor seinem Partner zu haben, meldet sich bei den meisten Menschen täglich, wollte der Professor gerade sagen, hielt dann aber doch noch rechtzeitig den Mund.
    „Nach einem halben Tag verschaffte ich mir Eintritt über das Fenster. Manfred wusste nicht mehr, wer er war. Hockte auf dem Boden in der Ecke. Als er sah, wie ich auf seinem Bett und auf dem Fußboden seine Ausscheidungen wahr nahm, wurde er gerade wieder klar im Kopf. Sofort war ihm das peinlich – er hielt sich die Hände vor den Augen und fing an zu heulen.“ Ilona keuchte. „‚Entschuldigung‘, sagte er dann. Das war das Schlimmste für mich.“
    Sie liebt ihn, zeigte sich der Professor in seiner Gedankenwelt auf der Stelle gerührt. Sagen tat er wiederum nichts.
    „Hörst du mir eigentlich zu?“, fragte Ilona.
    „Aber ja doch, intensiver kann man kaum zuhören. So intensiv, wie ich sonst nur meinen eigenen Reden lausche.“
    „Aha“, klang es zurück. „Fast täglich gibt es irgendwelche Dramen. Mal kleinere, mal größere.“
    „Es wird dir zu viel, vermute ich.“
    „Wie meinst du das?“
    „Na, wie soll ich das schon meinen, die Pflege...“
    „Nein, nein“, wendete Ilona ein. Wieder war ihr Keuchen zu hören.

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