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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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gemacht hatte, als sie das Referat gehalten hatten.
    „Ich bin Legastheniker.“
    Der Professor nahm sich eine weitere Zigarette. Mit dem Auspusten des Streichholzes sagte er: „Verstehe. Da ist man auch heute noch im Schulsystem benachteiligt.“
    „Benachteiligt ist ein viel zu nettes Wort dafür, was Manfred geschah“, hörte man Ilona sagen.
    „Ilona, das ist jetzt nicht so wichtig“, sagte Manfred.
    Der Professor nahm seinen Füllfederhalter in die Hand und tippelte mit dem Daumen auf der Kappe rum. „Wir müssen übrigens das Schlimmste vermuten, wie man Legastheniker in der braunen Zeit behandelt hat.“
    „Könnt man auch mal untersuchen...“
    „In der Tat, Herr Semmler. Wie es ja so einiges zu untersuchen gäbe, was mit Ihrem Referat im Zusammenhang steht...“
     

1979  I
     
     
    Ob der ehemalige Schulleiter Adolf Wegemann noch lebt? Schaute man auf die durchschnittliche Lebenserwartung, durfte sich Manfred nicht allzu viele Hoffnungen machen. Geboren 1900, wäre Wegemann mittlerweile 79 Jahre alt. Kein biblisches Alter, aber bei Leuten, die die Härten der beiden Weltkriege erlebt haben, war es nicht selbstverständlich solange durchzuhalten.
    Der Griff zum Hörer brachte Manfred keinen Erfolg. Es gab im Telefonbuch zwar einen Eintrag unter dem Namen Wegemann, aber der stand in keinerlei verwandtschaftlichem Verhältnis zur gesuchten Person. Bei der weiteren Nachforschung erwies sich der Datenschutz als Problem. Lehnte dabei das Einwohnermeldeamt die gewünschte Auskunft ohne einen begründeten schriftlichen Antrag noch höflich ab, so schien es Manfred, als ob die von ihm ebenfalls aufgesuchte Polizei mit der Polizei drohen wollte. Erst der Nachweis, dass er in offizieller Mission unterwegs ist, konnte das wachhabende Personal beruhigen.
    Bei der Erforschung des Nationalsozialismus war es immer schwierig, staatliche Unterstützung beim Auffinden von Zeitzeugen zu bekommen, wusste Manfred. Neben der Gesinnung der Menschen, die in sicherheitsrelevanten Dienststellen beschäftigt waren, konnte auch die verworrene rechtliche Lage eine tatkräftige Hilfe verhindern. So erwartete Manfred auch keinen Durchbruch, als er die Sekretärin des humanistischen Gymnasiums von Neuenkirchburg anrief.
    „Schönen Guten Tag, Wolfgang Freud von der Schüler-Union. Kann ich bitte Herrn Adolf Wegemann sprechen?“, fragte Manfred im naivsten und freundlichsten Ton, der ihm möglich war.
    „Junger Mann“, vermutete die Frau am anderen Ende der Leitung falsch, „Herr Wegemann ist schon 1966 in Rente gegangen. Auch wenn er seit einiger Zeit uns wieder ganz nahe ist. Gleich nebenan im Altersheim, sozusagen unser Schutzpatron.“
    Endlich mal jemand, bei dem die Lebenslust größer ist als die Angst, schmunzelte Manfred über die auskunftsfreudige Dame am anderen Ende der Leitung. Er bedankte sich mit einem „Schützt den Patron“ und wusste, was zu tun ist. Einem weiteren Telefongespräch folgte einen Tag später eine Autofahrt in seine Heimatstadt Neuenkirchburg.
    Als er nach gut zwei Stunden aus seinem Kadett ausstieg, ärgerte er sich, dass er verschlafen hatte. „Nach 17 Uhr empfangen wir nicht gern Besuch“, hatte ihn die Heimleitung aufgeklärt. Jetzt war es viertel vor Fünf. Ich muss halt besonders schnell reden und Herrn Adolf Wegemann auffordern, das auch zu tun, amüsierte sich Manfred.
    Die Leiterin ließ sich ihre Verärgerung über sein verspätetes Erscheinen nicht anmerken. Verwundert erlebte Manfred, dass sie ihn durch das ganze Haus führte. Das Altenpflegeheim, gebaut in einer älteren Wohngegend in eine Baulücke aus dem Zweiten Weltkrieg, besaß nur wenige Einzelunterkünfte, Dreibettzimmer waren die Regel. Wo Manfred auch hinschaute, überall sah er die gleiche Art von Möbeln aus den sechziger Jahren, funktional und wenig gemütlich. Das sterile Erscheinungsbild versuchte die Heimleitung mit riesigen Landschaftsbildern, die an den Flurwänden jeden Vorbeilaufenden an seine Bedeutungslosigkeit erinnerten, auszugleichen. In jedem Stockwerk stand neben der Fahrstuhltür auf einem Podest ein Stofftier. Die 45 Insassen waren auf vier Etagen verteilt; je höher man kam, desto größer waren die Leiden der Alten. „Eine effektive Arbeitsorganisation macht es sinnvoll, dass wir unsere Bewohner nach dem Grad ihrer Gebrechlichkeit zusammen legen“, informierte die Heimleiterin. „Im Durchschnitt“, fügte sie mit unsicherem Blick hinzu.
    Adolf Wegemann lag im vierten Stock. „Vielleicht kann

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