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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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er. Und mit dem, worum es hier geht, schaffen sie für Jahrzehnte Probleme. Oder für länger, wollte Manfred es nicht ausschließen, als er gerade vor einem Bild stand und durch das Gemälde hindurchzusehen schien. Halb fünf Uhr morgens war es, alle anderen schliefen noch. Die aufkommende Dämmerung gab ihm genügend Licht, um sich den in einer Reihe aufgestellten 26 Bildern widmen zu können. Die jeweils 100 mal 60 Zentimeter großen Gemälde standen allesamt auf Stellschildern, die nach festem Halt in dem feuchten Erdboden suchten.
    Schon am Vortag hatte sich Manfred mit diesen Bildern beschäftigt. Er wusste, dass ihm das zweite Bild es besonders angetan hatte. Und nun, nachdem er eine ganze Zeit über allerhand mögliche Zuspitzungen sinniert hatte, war seine Aufmerksamkeit wieder ganz bei diesem Bild.
    Dort sah er lediglich eine Sonne, die sich auf drei Viertel der Bildgröße in verschiedenen Rot- und Gelbfarben dem Beobachter entgegen stellte. Die Komplexität des Bildes hielt sich somit in Grenzen, womit es sich von den meisten der 25 anderen Bilder unterschied. Manfred hielt die Einfachheit der Darstellung für einen der beiden Gründe, warum er sich von dem Bild so angezogen fühlte. Schwierigkeiten hatte er letztes Jahr schließlich genug gehabt.
    Der andere Grund lag in dem Motiv des Bildes selbst. Nicht, dass es an dem Ort, an dem er sich gerade aufhielt, einen Mangel an Darstellungen der Sonne gegeben hätte. Nein, im Gegenteil, die Sonne tauchte hier überall auf. Mal war sie auf Plakaten gedruckt, mal zeigte sie sich mit Kreide an den Holzhütten gemalt. An dem VW-Käfer, mit dem Manfred nach dem Aufstehen vorbeigekommen war, klebte sie sogar gleich viermal in der Form von runden Aufklebern.
    Aber gerade dieses inflationäre Zeugnis von der Existenz unseres Zentralgestirns erklärte Manfreds Interesse an diesem ganz besonderen Sonnenbildnis, dass er sich im Moment anschaute. Alle Sonnen, die er auf Plakaten oder anderswo zu sehen bekam, schauten freundlich, ausgesprochen freundlich sogar. Zu diesem Zweck war ihnen stets ein lachender Mund in die Mitte gemalt worden. Bei Manfreds Sonnenbild war das anders. Manfreds Sonne war schön, zweifelsohne, aber sie drückte noch etwas anderes aus. Verschiedene Farbtöne, mehr getupft als gestrichen, ließen die Sonne lebendig werden – ständig fraß irgendwo Helium Wasserstoff auf und sorgte für unvorstellbar große Explosionen. So kann es euch auch ergehen und vielleicht habt ihr dann selbst dran‘ Schuld, wollte die Sonne zu Manfred sagen.
    Ohne den Blick von den Bildern zu lassen, ging Manfred ein paar Schritte zurück, um alle 26 Bilder zusammen zu erfassen. Das bot sich in der Tat an, denn so verschiedenartige Motive die Bilder auch aufwiesen, so sehr hatten sie sich alle einer gemeinsamen Aufgabe zu stellen. Jedes Bild musste deutlich einen Buchstaben beziehungsweise ein Satzzeichen erkennen lassen – die in fünf Gruppen aufgestellten 26 Stelltafeln zeigten so fünf Wörter mit insgesamt 26 Schriftzeichen. Manfreds Sonne stand für den Buchstaben O im ersten Wort.
    Manfred ging erneut einige Meter rückwärts. Jetzt konnte er alle Wörter gut erkennen. Er war so vertieft in seine Gedankenspiele, dass er nicht gemerkt hatte, wie sich von hinten jemand näherte. Er wollte sich gerade mit einem weiteren Bild beschäftigen, da hörte er in seinem Rücken leise aber deutlich eine Stimme die fünf Wörter sagen, die auf den Stelltafeln zu lesen waren: „Gorleben soll leben – wir auch!“
     
    *
     
    Es hatte nur bis zum dritten Wort gedauert, bis Manfred die Stimme erkannt hatte, die er zuletzt vor 12 Jahren gehört hatte. Auf der Stelle kam ihm in den Kopf, dass sich diese Stimme überhaupt nicht verändert hatte. Werden meine Augen zu dem gleichen Ergebnis kommen? Werden wir uns richtig freuen oder nur ein bisschen? Ob wir nervös werden? Umgehend fand Manfred Gefallen daran, sich vorerst nicht zu rühren. Lässig sprach er in langgestreckten Wörtern: „Immerhin haben wir ja schon vier Jahrzehnte durchgehalten.“
    Er erhielt keine Antwort. Einen Moment wartete er. Dann trieb ihn die Furcht, dass sie sich einfach umgedreht hatte und zurückgegangen war, reflexartig dazu, seinen Körper um 180 Grad zu drehen.
    Sie war aber nicht weggegangen. Sofort trafen sich ihre Blicke und sie ließen auch nicht voneinander ab, als Manfred wie in Trance ihre äußere Erscheinung erfasste. Blaue Jeans mit weitem Schlag trug sie, dazu einen langen Wollpullover,

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