Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
Vom Netzwerk:
der ihr bis über die Hüften ging. Sie sah gut aus; die Augen schauten wissend, ihr Gesicht war vielsagender geworden, ihre Weiblichkeit deutlicher. Toll, dachte Manfred.
    „Na, du? Was machst du denn hier?“, fragte Ilona. Mit einer Hand tätschelte sie in ihrem Haar.
    Schön, dass sie was Dummes sagt. So brauch ich mir über die Qualität meiner Antwort keine Sorgen zu machen, dachte Manfred. „Ich befinde mich zurzeit auf der Jagd nach wilden Pferden und habe gerade eine Stute vor Augen, die es auf der Stelle zu erlegen gilt.“
    Was bedeutet das eigentlich, wenn man sagt, dass jemand große Augen kriegt, fragte sich Manfred, denn Ilonas Augen öffneten sich gerade ausgesprochen weit. Und ihr Mund verzog sich zeitgleich zu einem Lächeln. Alsdann prustete sie laut los, ging auf Manfred zu und tippte mit halb geschlossenen Augen und geneigtem Blick ihren Zeigefinger gegen seinen Bauch, so wie sie es früher auch manchmal getan hatte. Auch Manfred lachte herzlich. Ihre Hände suchten den Körper des anderen, wussten aber nicht, wie lange sie an einer Stelle zu bleiben gedachten sollten. Bald standen sie mit einem nicht enden wollenden Händedruck eng aneinander.
    „War wirklich eine doofe Frage…Schön, dass du auch hier bist“, sagte Ilona. Die beiden unterhielten sich zuerst über allerhand, was mit ihrem hiesigen Aufenthalt im Zusammenhang stand. Alsbald wechselten sie das Thema und sprachen über dies und über das. Allerhand Fragen wurden gestellt, der Austausch an Informationen und Meinungen florierte. Mit ihrem gegenseitigen Interesse brachten sie sich in immer bessere Laune, dabei bekamen sie gar nicht mit, dass sie mit der Zeit immer lauter redeten.
    „Sag‘ mal, wisst ihr eigentlich wie spät das ist?“ Ein bärtiger Mann war schlaftrunken aus eine der nur wenige Dutzend Meter entfernten Hütten getreten. „Ich find‘ das echt nicht gut von euch. Und das in eurem Alter.“ Schon wieder auf dem Rückweg fügte er noch hinzu:  „Wo ist eigentlich die Nachtwache?“
    Manfred hob wie zur Entschuldigung die Arme und nickte zustimmend. Dann schaute er zu Ilona, legte einen Finger an den Mund und flüsterte mit einem zwinkernden Auge: „Wir sollten die Kritik unbedingt ernst nehmen. Sonst werden wir morgen auf der Vollversammlung zur Sau gemacht.“
    Schnell hatten Manfred und Ilona einiges voneinander erfahren. Beide waren nur für ein langes Wochenende in die Republik Freies Wendland gekommen, die Arbeit verhinderte ein längeres Bleiben. Ilona hatte eine halbe Lehrerstelle und war in der Bürgerinitiative Bonn gegen Atomkraftwerke engagiert. Manfreds Zeitvertrag als Straßenbauer lief noch ein paar Monate.
    „Kinder und“, Manfred zögerte einen Moment mit seiner Ausführung, „andere Verpflichtungen hindern dich nicht daran, dir ein freies Wochenende zu nehmen?“
    „Die Kinder sind inzwischen volljährig. Der Ältere ist mit 18 sofort ausgezogen.“ Zu Werner sagte sie nichts, fiel Manfred auf, der augenblicklich das Thema wechselte. Im Flüsterton führte er Ilona durch das Hüttendorf und zeigte ihr alles Mögliche; ganz offensichtlich hatte Manfred gleich am Ankunftstag alles in Erfahrung gebracht, was das Leben in dem provisorischen Dorf auszeichnet.
    „Einen Frisiersalon gibt es auch“, tuschelte Manfred und öffnete die Tür  zu einer kleinen Lehmhütte, in der an einer fensterlosen Wand ein mehrfach eingerissener Spiegel hing. Das übliche Handwerkszeug eines Coiffeurs, abgestellt auf einer umgedrehten Apfelsinenkiste, ließ keinen Zweifel daran, dass an diesem Ort Haare geschnitten wurden. Und verschönert, wie gelbe und grüne Haarfärbemittel zeigten. Eine ganze Reihe von Wasserkrügen nebst einer riesigen Plastikwanne ließ erahnen, wie hier improvisiert werden musste.
    „Die Krankenstation bietet für drei Leute Platz.“ Durch das Fenster erkannten Manfred und Ilona drei Matratzen, die auf bettähnlichen Gestellen lagen. Nur eines der Betten war belegt, das aber gleich doppelt: Ein Pärchen hatte es sich dort eng umschlungen bequem gemacht. Neben jedem Bett stand ein Stuhl. In einem Regal lagen säuberlich geordnet Handtücher und allerhand Verbandszeug. Überall standen kleine Blumenvasen mit ein oder zwei Zweigen und an einer Wand hing das obligatorische Plakat mit der lachenden Sonne. „Richtig gemütlich“, meinte Ilona, bevor sie mit Manfred den Rundgang fortsetzte.
    Sauna, Badehütte, Mülldeponie, Gewächshaus und ein Freundschaftshaus, das einhundert Leuten Platz

Weitere Kostenlose Bücher