Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
Vom Netzwerk:
Überraschung meldete sich Angst bei ihm und zwar in einer Form, wie er das in seinem bisherigen Dasein noch nicht erlebt hatte. Seine Angst trieb ihn zum Reden, das alsbald keine Pause mehr kannte und irgendwann nur noch einen immer hektischeren Redeschwall darstellte. Als Werners Ergüsse, ein Gemisch aus Rechtfertigungen, Unterwürfigkeit und Drohungen für Manfred unerträglich wurde, schaute er plötzlich auf. Seine Augen stachen Werner wie ein Giftpfeil ins Gesicht, sodass der augenblicklich schwieg. „Du nutzt deine Zeit falsch“, sagte Manfred trocken. Sekunden später umschloss ein breiter Klebestreifen Werners Mund, die Augen waren verbunden. „Ich kann dein Gequatsche nicht mehr hören. Nutze die Zeit des Schweigens, Werner. Nutze sie richtig.“
    Wahrscheinlich wäre Werner nie und nimmer darauf gekommen, wie viel an Zeit ihm im Folgenden zur Verfügung stehen würde. Manfred hatte keine Eile. Er wusste sehr genau, wie es einen Menschen verändern kann, wenn er 24 Stunden nichts zu trinken bekommt.
    Der Zeitraum war dann sogar um eine Stunde überzogen, als Werner wieder von seinen Mund- und Augenfesseln befreit wurde.
    „Durst?“, fragte Manfred.
    „Du…“
    „Schwein, willst du sagen, Werner?“
    Werner röchelte; er war Raucher, dem das Atmen durch die Nase ungenügend Sauerstoff zugeführt hatte.
    „Drei Minuten ohne Sauerstoff, Werner. Dann ist man hinüber.“
    „Das glaube ich. Manfred, ich…“
    „Ich habe dir gesagt, nutze die Zeit richtig“, wollte Manfred nichts hören, was er für überflüssig hielt. „Lies, Werner, lies das Unterstrichene!“ Erneut bekam Werner nun die Akte der Keller-Gestapo vor seine Augen gehalten.
    Werner zog die Augen zusammen. Nur schwer konnte er sich darauf konzentrieren, was über dem Unterstrich zu lesen war. Irgendwann schien es aber zu gehen.
    „Das Verhör bestätigt Ottokars Hinweis, dass Lammelbrink in der Weimarer Republik Mitglied der KPD (O) wurde.“ Werner brauchte eine Pause, bevor er weitersprach: „Das verstehe ich nicht. Was soll denn die Null bedeuten?“
    „Das ist keine Null, du Null, sondern ein O und steht für Opposition, soll uns aber gar nicht weiter interessieren“, zischte Manfred. „Lies!“, forderte Manfred von Neuem und hielt Werner eine weitere Akte der Keller-Gestapo vor Augen.
    „Festnahme nach Verdachtsäußerung von Ottokar“, las Werner einen handschriftlichen Vermerk am Seitenrand, bevor er mit glasigen Augen fragte: „Was für eine Verdachtsäußerung?“
    Manfred verdrehte die Augen und zeigte Werner eine weitere Akte, der jetzt ohne weitere Aufforderung ahnte, dass er wiederum die unterstrichene Bemerkung vorzulesen hat. „Ottokar berichtet von einer anarchistischen Zelle“, lallte er, um wieder schonungslos zum Kommentar überzugehen: „Wie Zelle?“
    Manfred glaubte nun, veräppelt zu werden, machte aber einfach weiter. „Was ist der gemeinsame Nenner aller drei Einträge, Werner?“, fragte er, um sogleich selbst eine Antwort zu geben: „Ottokar. In allen Einträgen erfahren wir etwas von einer Person namens Ottokar. Und wer ist Ottokar?“
    „Ein König nannte sich doch so.“
    „Schön, dass du deinen Humor nicht verloren hast.“
    Zugleich stutzte Manfred und schaute sich Werner genauer an. Er sieht eindeutig schlecht aus, beobachtete Manfred den grünlichen Schleier in Werners Gesicht. Manfred wurde augenblicklich klar, dass die geringe Sauerstoffzufuhr und der Flüssigkeitsverzicht verantwortlich für Werners zerstreute Bemerkungen gewesen sein muss.
    Manfred brauchte Werner bei klaren Kopf und stärkte dessen Ressourcen. Die Flasche Wasser tat Werner gut, die Wurstbrote taten ihm gut und die Decke und dass seine linke Hand von der Fessel befreit wurde ebenso. Alsbald war sich Manfred sicher, Werners Aufnahmefähigkeit wieder halbwegs wiederhergestellt zu haben.
    „Viermal taucht der Name Ottokar insgesamt in den Akten auf“, begann Manfred. „Muss ich dir erzählen, um wen es sich bei diesem Menschen handelt?“
    Werners Mund war halb geöffnet, sein Blick auf immer ein und denselben Punkt gerichtet. Er weiß nicht, was er denken und erst recht nicht, was er sagen soll, deutete Manfred. „Ottokar ist der inzwischen verstorbene Mensch, der dir mal gebeichtet hat, dass seine NS-Vergangenheit ihm nochmal zum Verhängnis werden könnte.“
    Werner fasste sich an den Kopf, sein Mund öffnete sich sperrangelweit. „Warst du dabei? Woher…?“
    Das war es nicht, worüber Manfred jetzt reden

Weitere Kostenlose Bücher