Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
Conny dazwischen.
Zeitgleich sprangen sie aus ihren Lagern. Im Flur trafen sie sich. Eng umschlungen beklagten sie sich.
*
Ilonas und Manfreds Taxifahrt von ihrer frisch bezogenen Wohnung im Herzen von Neuenkirchburg zum Restaurant „Am Rathaus“ hätte kaum mehr als zwei Minuten gedauert. Zur Feier des Hochzeitstages beauftragte Manfred den Chauffeur jedoch, das Ziel in einem weiträumigen Bogen, einschließlich eines kilometerlangen Abstechers über die neue Umgehungsstraße, anzusteuern. „Wir genießen noch ein Moment die Ruhe, bevor wir massenhaft Händen schütteln müssen“, begründete er seinen Wunsch gegenüber Ilona, die daraufhin laut lachen musste und sagte: „Ich weiß ja, dass du Straßen romantisch findest.“
Ilona hakte sich eng in Manfreds Arm. „Wusstest du eigentlich, dass das Weiß des Hochzeitkleides die Jungfräulichkeit der Braut zur Schau stellen soll?“
„Nie gehört“, war Manfred gespannt, wie die Geschichte diesmal weiterging.
„Hat man dagegen schon mal“, flüsterte Ilona, „dann sollte das Kleid eher mattweiß sein. Um auszudrücken, dass die Braut...“
„...schon befleckt ist.“, unterbrach Manfred.
Zeitgleich drehten die beiden ihren Kopf und schauten sich an. Manfred grinste als Erster.
„Jetzt weiß ich, worauf du hinaus willst. Du verlangst also, dass ich der Wahrheit zu ihrem Recht verhelfe, indem ich zwecks glaubhaften Ausdruck deiner Befleckung kräftig Hand anlege, um...“
„Manfred!“, kreischte Ilona dazwischen und hielt ihm lachend die Hand vor den Mund. Der Blick nach vorn zeigte ihr einen aufmerksam weghörenden Taxifahrer. Die Nasen des Brautpaares berührten sich, sie kicherten – nicht zum ersten Mal heute. „Wir dürfen gleich aber nicht die ganze Zeit nur albern sein“, forderte Ilona, um sogleich mit ihrem neuen Ehemann kräftig weiter zu feixen. Der Taxifahrer untermauerte seine Zurückhaltung und schaltete leise das Radio ein.
Auch wenn die traditionelle Kleidung von weißem Brautkleid und Sakko nicht den Rahmen einer kirchlichen Trauung erhielt, orientierte sich der Tag doch in einigem an der typischen Choreografie einer traditionellen Hochzeitsfeier. „Am Rathaus“ wartete am Parkplatz der Seniorchef des Restaurants, dem Manfred vor einem Vierteljahrhundert als Lehrling gedient hatte. Mit einem süffisanten Lächeln, das souverän wie charmant dieses weit zurückliegende, nicht immer ganz spannungsfreie Arbeitsverhältnis würdigte, öffnete er die Autotür und geleitete das Paar in den großen Saal des Hauses. Die Gäste waren bereits vollständig erschienen. Sie waren beim Eintrudeln von zwei Kabarettisten willkommen geheißen und kurzweilig unterhalten worden und begrüßten das Brautpaar nun, bestens gelaunt, mit einem langanhaltenden Applaus. Es folgten Dutzende von Umarmungen und eifriges Händeschütteln. Musik und Tanz begleiteten die folgenden Stunden ebenso dauerhaft wie ein kaum zu bewältigendes Angebot an Speisen und Getränken. In einem Nebenraum konnte man sich in tiefe Sessel und Couchen sacken lassen und so dem lauten Trubel etwas entziehen. Ein weiterer Nebenraum war lediglich mit einem großen Tisch für die Geschenke und Glückwunschkarten ausgestattet. Dass hierbei auch eine faustdicke Überraschung den Gabentisch deckte, das sollte Manfred erst zu später Stunde erfahren.
Wohlgemerkt zu später Stunde. Denn es schickt sich nicht für den Gastgeber, so wurde Ilona nicht müde ihrem Ehemann zu erzählen, bereits während des Festes einen genaueren Blick auf die Präsente zu werfen. „So viel Konvention musst du aushalten, du kleiner Anarchist“, neckte sie ihren Mann, als dieser zum zweiten Mal nachfragte, ob er sich nicht mittlerweile mal mit den Beschenkungen der Gäste beschäftigen dürfte. „Ich muss wissen, ob wir vier oder fünf Mikrowellen bekommen haben, Schatz. Fünf brauchen wir nämlich mindestens, um glücklich zu sein.“ Dabei kniff er Ilona zwar unauffällig, aber nichtsdestotrotz möglichst heftig in die vier Buchstaben, worauf sie ihn zu seiner Freude und seiner Lust ebenso böse wie verzückt anschaute. „Die Leute gucken schon. Ich lächel‘ jetzt einfach, dann denken die, du hast was Nettes gemacht.“
„Hab‘ ich doch.“
Irgendwann ließ die fortgeschrittene Uhrzeit mit einer immer geringeren Zahl an Gästen es zu, dass Manfred zur Bescherung schritt. Ilona hatte sich bei der Gestaltung des Raumes, der für die Aufmerksamkeiten der Gratulanten vorgesehen war,
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