Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
Preis erhalten“, so der Professor.
Dem allgemeinen Grienen folgten schnell wechselnde Augenblicke; man versicherte sich ohne Worte, dass der Schabernack erst einmal nicht die schlechteste Möglichkeit darstellte, um mit der Sorge um Manfred umzugehen. Auflösen konnte man die Gründe für seine Haft im Moment sowieso nicht.
„Oder er hat jemanden umgebracht“, fuhr eine Frau, die sich als ehemalige Kollegin von Manfred vorgestellt hatte, das Gespräch fort.
„Zuzutrauen wär‘ ihm das ja.“ Wieder zog der Professor alle Blicke auf sich; man wollte wissen, was seine Gesichtszüge nun verrieten. Der Professor schaute zu Ilonas Tochter und deutete auf den Weinbrand als er sagte: „Ich müsste wissen, wen er umgebracht hat, bevor ich wüsste, wie ich dazu stehe.“
Ilonas Tochter ging um den Tisch und schenkte jedem Gast einen Cognac ein. Sahnekuchen und Kaffeegetränke aller Art hatten den Geschmack in Richtung gebrannten Alkohol getrieben. Die Anwesenden erhoben ihre Gläser.
„Auf Manfred!“, vergaß der Mann mit der Augenbinde nicht auszurufen, bevor die exquisite Spirituose runter gegossen wurde. „Sie würden sich übrigens gut mit meinen Neffen verstehen“, wandte er sich sogleich erneut dem Professor zu.
„Wie alt ist der denn?“
„31.“
„Vergessen Sie‘s. In dem Alter hat man‘s nicht mehr mit der Wahrheit. Es geht dann nur um die Frage ‚Wie überlebe wenigstens ich?‘“
Einen Moment wusste das allgemeine Schmunzeln nicht so richtig wohin. Ilonas Tochter merkte die Überforderung und machte sich mit der Flasche Cognac auf eine zweite Runde um den Tisch. Dabei fragte sie die ehemalige Kollegin von Manfred: „Sie lehren also am humanistischen Gymnasium unseres Neuenkirchburg, nehme ich an.“
„Ja, schon mein halbes Leben. Und ein paar Jahre habe ich noch vor mir. Ich habe Manfred beneidet, als er vor vier Jahren in Rente gehen konnte...“
„Wie? Manfred war Lehrer?“, schaltete sich eine andere Frau ein, bei der es sich offensichtlich um die Begleiterin des Herrn mit der Augenbinde handelte. „Als Legastheniker? Was für eine Leistung! Ich bin selbst Lehrerin. Bei den Schülern und Eltern heutzutage...“
„Nein, nein“, unterbrach Ilonas Tochter, „Manfred arbeitete beim humanistischen Gymnasium als Hausmeister...“
„...der klügste Hausmeister Deutschlands, muss man sagen“, schellte der Professor dazwischen.
Ilonas Tochter lächelte. „Bis zur Heirat mit Ilona hatte er mehrere Jahre als Gelegenheitsarbeiter gejobbt, meistens im Straßenbau. Als Ilona und Manfred dann wieder nach Neuenkirchburg zogen, wurde gerade die Hausmeisterstelle frei. Er bekam den Job. Wie er das geschafft hat, wusste keiner. Er war ja gar nicht dafür ausgebildet.“
„Manfred kann alles. Wie jeder Verächter des bürgerlichen Lebens.“ Die Miene des Professors verriet den Schalk.
Der Mann mit der Augenbinde fing an zu lachen. Er lehnte sich weit in sein Stuhl zurück, sein Blick wollte sich vom Professor gar nicht mehr lossagen. „Da passt es aber eigentlich nicht, sich zu verheiraten.“
„Eine Konzession an das weibliche Geschlecht. Getroffen in einem Moment der Schwäche. Das sei ihm zugestanden.“ Der Professor nippte immer noch an seinem ersten Cognac; er war vernünftiger, als er sich geben wollte. „Vielleicht ist er ja im Knast, weil er noch irgendwo verheiratet ist. Ich traue ihm eine solche Heldentat zu. Die Frage von Belang wäre dann: Hat sie einen großen Busen? Und wenn ja, ist der echt?“
Die Heiterkeit wurde zur Gewohnheit. Es gab Konsens, dass der Professor höchste Toleranz beanspruchen darf. Alle fühlten sich gut unterhalten.
„Eigentlich könnte der Abend kaum besser laufen“, meinte Jürgen Angler irgendwann. „Fehlt nur Manfred.“
„Wir sollten ihn besuchen“, meinte der Professor, diesmal ernst. „Frau Lehrerin, schauen Sie mal bitte in Ihrem Smartphone unter dem Begriff ‚Untersuchungshaft‘ und ‚Besuchsrecht‘ nach.“
„Woher wissen Sie...“, weiter kam die Angesprochene nicht.
„Ihr jungen Leute habt doch alle diese neuen Sachen. Also los.“
„Zu Befehl, Herr Professor.“ Konzentriert machte sich die Lehrerin im Internet zu schaffen, während die Runde sich weiter amüsierte und den Genussmitteln zusprach. Alsbald zeigte sie beeindruckend, wie sie im Netz erhaltene Informationen auf den Punkt bringend verwerten kann: „Maximal drei Personen dürfen Manfred besuchen, die Zustimmung des Richters ist erforderlich. Außerhalb
Weitere Kostenlose Bücher