Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
der offiziellen Besuchszeiten, und da dürften wir gerade sein, ist alles besonders schwierig.“
„Mist“, klagte der Professor.
„In Untersuchungshaft darf man jemanden nur stecken“, fuhr die Lehrerin fort, „wenn es sich um eine schwere Straftat handelt wie Vergewaltigung, schwere Körperverletzung, schwerer Diebstahl, Raub, Erpressung, Einfuhr von Betäubungsmitteln...“
„Hasch“, murmelte der Professor . Nun griente aber keiner mehr. Die Lehrerin sprach weiter: „Zu den Haftgründen zählt auch die Fluchtgefahr. Die besteht bei fehlendem Wohnsitz, Arbeitslosigkeit, hoher Straferwartung oder fehlenden persönlichen und sozialen Bindungen...“
„Letzteres kommt unbedingt hin“, unterbrach der Professor. „Es ist unmöglich, dass außer mir jemand etwas mit Manfred zu tun haben will, jedenfalls nachhaltig.“
Der Herr mit der Augenbinde wusste nicht, ob er nochmal lachen sollte oder nicht. Er öffnete die Flasche Cognac und schenkte dem Professor nach.
„Auch Verdunkelungsgefahr kann ein Haftgrund sein. Darunter versteht man, wenn die Gefahr besteht, dass jemand Beweismittel beseitigen oder Zeugen beeinflussen will“ , sagte die Lehrerin.
Der Professor und der Mann mit der Augenbinde schauten sich fragend an; sie schienen gerade nach einer gemeinsamen Anmerkung zu suchen. Bevor ihnen etwas einfallen konnte, öffnete sich die Tür.
Ilona trat ein.
Ob Niedergeschlagenheit, Angst oder Verzweiflung – es war schwer für die Anwesenden auszumachen, von welchem Gefühl Ilona wohl gerade am stärksten beherrscht wurde.
Ilona wollte Ruhe, das war ihr anzusehen. Aber allein sein konnte sie jetzt nicht, unmöglich. Mit einem Schuss Erleichterung hatte sie beim Eintritt wahrgenommen, dass der Kreis der Anwesenden nicht allzu groß war und dass darunter so einige waren, die sie ausgesprochen mochte. „Tag, ihr Lieben“, sagte sie kurz, als sie sich auf den Platz setzte, den ihr der Mann mit der Augenbinde wortlos frei gemacht hatte.
Der Kellner verließ den Raum und schloss mit einem Klacken, dass das Versprechen einer längeren Abwesenheit beinhaltete, die Tür. Sekunden später war auch die nichtssagende Musik abgestellt.
Ilona begann zu weinen. Erst nur ein bisschen und nur ganz kurz. Dann heftiger.
Längst hatte Ilona mehrmals ihre Nase geschnaubt und einen Cognac getrunken als sie sagte: „Conny. Du bist in Gefahr.“
Sofort richteten sich alle Blicke auf die Frau, die Ilona schräg gegenübersaß. Conny schien sich nicht aus der Ruhe bringen lassen zu wollen und wartete mit einem Zug an ihrer Zigarette auf weitere Äußerungen.
„Es ist lange her... Die Polizei wird denken, dass du das als Manfreds damalige Mitbewohnerin mitbekommen haben musst. Dass du vielleicht sogar eine Hauptrolle dabei gespielt hat.“
Ilona verlangte nach einer Zigarette, ihrer ersten seit Jahren. „Ihr wohntet damals schon lange zusammen. Es geschah im Frühling 1972.“ Ilona kippte ihren zweiten Cognac runter und schaute einen Moment streng, als sie sagte: „Manfred hatte eine Affäre.“
„Ja, ja. Wegen so etwas kann man ins Gefängnis kommen, selbst wenn es 38 Jahre her ist“, konnte sich der Professor nicht zurückhalten.
Nachdem Ilona lachen musste, schmunzelten auch die anderen.
„Es war nicht irgendeine Frau, mit der Manfred verkehrte. Es war eine der meistgesuchten Terroristinnen.“
„Das wurde sie erst später“, murmelte der Professor kaum hörbar. Anscheinend wusste er etwas von Manfreds Liaison.
„Manfred hat in der halben Stunde, die ich ihn besuchen konnte, nur gegen die Wand geguckt.“ Ilona vergoss erneut ein paar Tränen.
„Das macht er immer, wenn er nachdenkt“, versuchte Conny zu beruhigen. „Mit mir hat er dann manchmal tagelang kein Wort gesprochen.“
„Im Juni 1972 wurde diese Terroristin dann verhaftet.“ Ilona schaut zu Conny. „Hatten die bis dahin noch ihre Affäre? Weißt du das noch?“
Erneut öffnete Conny den Mund und schloss sie ihn sofort. Stattdessen übernahm der Professor das Wort , nun ganz ernst: „Conny muss sich hier zurückhalten mit dem, was sie sagt, Ilona... Manfred tut vorerst gut daran, die Klappe zu halten. Die Frage ist, ob sie ihm nachweisen können, dass er gewusst hat, mit wem er es zu tun hatte.“
„Vor allem wollen die wissen, ob er selbst irgendwas mit dem Terrorismus zu tun hatte. Längst nicht alles von damals ist aufgeklärt“, sagte Ilona. „Hausdurchsuchung ist bei uns übrigens schon gewesen.“
Der Mann mit der
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