Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
Pflanzen herauszustreichen, obwohl er sich wahrhaftig alle Mühe gab. Er trat an die Balkontüren im Wohnzimmer und bewunderte die Magnolie, die in voller Blüte stand.
Wenn es ihre Mutter überraschte, dass er den Namen des Baumes kannte, so ließ sie sich nichts davon anmerken, sondern stürzte sich fast sofort in ein Verhör, was seine Unterkunft betraf.
»Ist es eine Pension?«, fragte sie.
»So nennt die Vermieterin es – allerdings behandelt sie uns nicht wie Gäste«, erwiderte Dan mit dem für ihn so typischen breiten Grinsen. »Eher wie Leprakranke.«
Clara lächelte, aber das Lächeln drang nicht bis in ihre Augen vor, und Fifi konnte sehen, dass der Unwille ihrer Mutter wuchs. »Ich wollte eigentlich wissen, ob sie Ihnen das Frühstück und vielleicht auch das Abendessen richtet?«
»Nein, wir bekommen lediglich das Zimmer und das, was sie ›Service‹ nennt. Was lediglich bedeutet, dass sie die Papierkörbe leert und das Wenige an Teppich saugt, was nicht von Möbeln verdeckt wird.«
Clara erkundigte sich auch, wie Dan seine Wäsche erledigte und wo er sich sein Essen kochte. Als er sagte, dass er in eine Wäscherei weiter oben an der Straße ging und meistens in Cafés aß, hielt sie ihm einen Vortrag über die Bedeutung guter Ernährung. »Sie sollten selbst kochen lernen«, fügte sie hinzu.
»Ich kann recht gut kochen«, erwiderte Dan. »Das hat man uns im Kinderheim beigebracht. Aber wenn ich den ganzen Tag gearbeitet habe, möchte ich nicht auch noch in der Küche stehen.«
Zu Fifis Erleichterung erzählte Dan nicht, dass diese Küche von Mäusen verseucht und schrecklich schmutzig war. Er konnte sich ja kaum dazu überwinden, dort eine Tasse Tee zu kochen. Außerdem würden sich die anderen Mieter über seine Einkäufe hermachen, würde er welche tätigen. Trotzdem war seine Antwort nicht besonders glücklich gewählt, denn sie ließ darauf schließen, dass er ein Faulpelz war.
Von da an versuchte ihre Mutter bewusst, Dan linkisch und dumm aussehen zu lassen, diesen Eindruck gewann Fifi immer mehr. Clara schnitt Themen an wie die Invasion von Kuba, die Erbauung der Berliner Mauer, die Ostermärsche und Rudolf Nurejews Entschluss, nicht in seine sowjetische Heimat zurückzukehren.
Fifi erwartete, dass Dan ebenso wenig wie sie in der Lage sein würde, diese Dinge zu diskutieren, und dass es ihrer Mutter gelingen würde, ihn wie einen Narren dastehen zu lassen. Aber er konnte tatsächlich zu jedem Thema etwas sagen, zumindest genug, um den Ball ihrem Vater zuzuspielen.
Er konnte allerdings der Versuchung nicht widerstehen, ihre Mutter ein wenig aufzuziehen, was Rudolf Nurejew betraf. »Es wäre doch nett gewesen, wenn er Atomwissenschaftler gewesen wäre oder sonst irgendetwas Nützliches gelernt hätte, doch ein Mann, der in Strumpfhosen auf der Bühne herumstolziert und mit seiner Möhre und seinen Zwiebeln angibt, scheint mir kein allzu großer Gewinn für den Westen zu sein«, bemerkte er.
Die Jungen lachten, Patty kicherte, und selbst ihr Vater lächelte. Aber ihre Mutter wirkte zutiefst gekränkt und erklärte herablassend:
»Ich liebe das Ballett. Für mich ist Rudolf der größte Tänzer aller Zeiten.«
»Mag sein, aber ich wette, dass weniger als ein Prozent der Bevölkerung jemals eine Ballettvorstellung besucht. Warum sollte man dem Mann also erlauben, hierzubleiben? Er hat in Russland wahrscheinlich ohnehin wie ein König gelebt.«
Fifi war schon früher aufgefallen, dass Dan, wann immer er sich unsicher fühlte, Zuflucht zu scherzhaften Bemerkungen nahm. Bei seinen Arbeitskollegen oder Bekannten im Pub kam er damit gut an, aber auf gebildete, ernsthafte Menschen wie ihre Eltern, die ihm zum ersten Mal begegneten, mussten solche Bemerkungen eher unhöflich und ungehobelt wirken.
Als sie sich zum Tee niedersetzten, waren auf den Wangen ihrer Mutter zwei rote Flecken erschienen, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie vor Wut kochte. Fifi hatte keine Ahnung, wie sie die Situation entschärfen sollte, denn Dan tat sein Bestes, offen und freundlich zu erscheinen.
»Noch ein Stück Kuchen, Dan?«, fragte Clara am Ende der Mahlzeit. Sie hatte sich selbst übertroffen und mit eigenhändig zubereitetem Schinken und Salat geglänzt, mit Scones, Kuchen und einem aufwändigen Dessert, und jetzt hielt sie das silberne Kuchenmesser über den Rest der mit Puderzucker bestäubten Schokoladentorte.
»Ich würde sie ja gern davon befreien, aber ich habe keinen Platz mehr«, sagte
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