Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
sie konnte sich benehmen wie ein verwöhntes Kind. Allerdings verstand sie sich nicht so gut wie ihre Tochter darauf, locker auf andere Menschen zuzugehen, und sie war starrer in ihren Ansichten. Aber Dan vermutete, dass das größtenteils an ihrer Erziehung lag und an dem behüteten Leben, das sie geführt hatte.
Doch er hatte auch viele bewundernswerte Eigenschaften an seiner Schwiegermutter entdeckt. Ihre Haltung gefiel ihm, ebenso ihre Direktheit. Und sie war auch kein so schrecklicher Snob, wie Fifi behauptet hatte. Sie reagierte mit Entsetzen auf schlechte Manieren, aber es spielte keine Rolle für sie, welcher sozialen Schicht die Person angehörte, die durch schlechtes Benehmen auffiel. Sie rümpfte die Nase über Leute, die auf der Straße aßen, sie fand die Frage des Journalisten nach ihrem Alter unhöflich. Dennoch behandelte sie Menschen, die niedere Arbeiten verrichteten, wie das Zimmermädchen im Hotel, Kellner oder Taxifahrer, mit Wertschätzung. Im »Rifleman« war sie sehr charmant gewesen. Selbst als Stan ihr von seiner Arbeit als Müllmann erzählte, zuckte sie nicht mit der Wimper und bemerkte später, was für ein Gentleman er sei.
Clara hatte natürlich angenommen, ihre Tochter würde einen Akademiker heiraten, das hatte ja auch nahegelegen! Ihr Mann war schließlich einer. Aber Dan begriff jetzt, dass es Fifi mit ihrer Heimlichtuerei gewesen war, die Claras schlimmste Ängste geweckt hatte. Wenn sie ihn nur gleich mit nach Hause gebracht hätte, wäre Clara zu Anfang vielleicht trotzdem steif und abweisend gewesen, doch ihre tief eingefleischten guten Manieren hätten sie nach seinen positiven Seiten suchen lassen.
Dan wusste es, denn er konnte es auch jetzt, während ihres Aufenthaltes in London, beobachten. Als sie am frühen Samstagabend zu dritt in die Dale Street zurückgekehrt waren, hatte er ihnen Tee aufgebrüht und Sandwiches gerichtet und Claras Überraschung gesehen, als er den Tisch gedeckt hatte. Sie hatte offenkundig erwartet, er würde die Sandwiches und den Tee auf den Boden stellen und sie auffordern, »ordentlich reinzuhauen«. Früher einmal hätte ein solches Verhalten vielleicht zu ihm gepasst, aber Fifi hatte ihn gut unterwiesen.
Später hatte Clara einige Dinge bewundert, die er gebaut hatte. »Die haben Sie mit viel Liebe gemacht, Dan. Und mit großem Geschick«, hatte sie anerkennend gesagt. »Harry ist ein hoffnungsloser Fall mit seinen Händen.«
Es war keine Entschuldigung dafür, dass sie ihn bei ihrer ersten Begegnung so voreilig verurteilt hatte, doch andererseits erwartete er keine Entschuldigung von Clara. Es freute ihn einfach, dass sie endlich Seiten an ihm entdeckte, die ihr gefielen.
Der Kellner brachte ihre Drinks, und als Dan Geld aus der Tasche zog, winkte Clara ab.
»Ich lasse es auf unsere Rechnung setzen«, sagte sie.
Sie nippten schweigend an ihren Getränken. Clara betrachtete eine Gruppe amerikanischer Touristen am Nachbartisch. Sie hatten laute Stimmen und waren grell gekleidet.
»Früher war London voller eleganter Menschen«, bemerkte sie leise. »Selbst während des Krieges haben alle sich Mühe gegeben. Aber an diesem Wochenende habe ich nicht einen gesehen, der gut gekleidet gewesen wäre.«
»Ich schon«, entgegnete Dan. »Sie.« Es war ihm ernst damit; sie sah so adrett und weiblich aus in ihrem dunkelblauen Kostüm mit der weißen Rüschenbluse darunter. Er war stolz gewesen, sie im Pub als seine Schwiegermutter vorstellen zu können.
Sie lächelte müde. »Ich fühle mich wie ein Wrack«, bekannte sie.
»Nun, so sehen Sie aber nicht aus«, antwortete er. »Nur ein wenig erschöpft.«
Sie sah ihn lange und durchdringend an, und Dan machte sich auf eine scharfe Erwiderung gefasst.
»Ich habe Sie falsch eingeschätzt, Dan«, erklärte sie leise, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Es tut mir so furchtbar leid.«
Er war so verblüfft, dass ihm nichts zu sagen einfiel, doch als ihr die Tränen über die Wangen rannen, rutschte er unwillkürlich auf seinem Stuhl vor, griff nach einer Papierserviette und wischte ihr die Tränen sanft vom Gesicht, wie er es bei Fifi getan hätte.
»Die Vergangenheit spielt keine Rolle«, antwortete er, aber Claras Augen hatten solche Ähnlichkeit mit Fifis Augen, dass es ihm plötzlich die Kehle zuschnürte.
»Wir werden auch keine Zukunft haben, wenn wir sie nicht unversehrt zurückbekommen«, flüsterte sie und griff nach seiner Hand. »Sagen Sie mir die Wahrheit, Dan, glauben Sie, dass
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