Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
wischte sie liebevoll mit dem Finger fort, und sie lächelte sie an. Sie sagte etwas, das Yvette nicht verstand, aber dem Tonfall ihrer Stimme nach zu urteilen, versicherte Molly ihr, dass sie sich keine Gedanken deswegen machen solle.
Ja, Molly hatte damals Mitgefühl, Schwäche und Leichtgläubigkeit in ihr gesehen, und inzwischen wusste Yvette, welchen Preis sie dafür gezahlt hatte. Schon bald hatte sie sich Geld bei ihr geborgt, das sie niemals zurückgezahlt hatte, und sie hatte ihre Kinder bei Yvette abgesetzt, damit sie sich um sie kümmerte. Sie hätte all das ablehnen und sich zurückziehen sollen, schließlich erkannte sie rasch, dass sie nur benutzt wurde. Aber Molly tat ihr leid, und sie fühlte sich ihr verpflichtet.
Inzwischen war Yvette klar, dass Molly niemals das Opfer gewesen war, für das sie sie gehalten hatte. In Wahrheit hatte sie Alfie jeden Schlag mit gleicher Münze heimgezahlt; Gewalt versetzte sie in eine perverse Art von Erregung.
Während der letzten sechzehn Jahre musste Yvette hunderte schockierender, widerwärtiger Szenen miterlebt haben, und eines wusste sie inzwischen: Selbst wenn Molly einen reichen Mann kennen lernte, der ihre Alkoholexzesse und ihre Schlampigkeit übersah, würde sie Alfie nicht verlassen können. Die beiden teilten irgendein unheiliges Band, das nichts mit Liebe zu tun hatte.
Aber Ende der Vierzigerjahre hatte Yvette nichts von all dem gewusst. Sie hatte es nach und nach begriffen, während ihre Englischkenntnisse sich verbesserten und das Gerede von der Straße zu ihr durchdrang. Traurigerweise hatte sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Mollys Netz verfangen.
Yvette konnte sich noch gut an den Tag erinnern, an dem die Frau damit geprahlt hatte, dass sie und Alfie regelmäßig mit anderen Partnern schliefen. Yvette war schrecklich schockiert gewesen und hatte nur schweigend zugehört, während ihre Nachbarin ihr genüsslich beschrieben hatte, welchen Kitzel es für sie beide hatte, einander beim Sex mit jemand anderem zu beobachten. Ihre Sprache war plastisch, ihre Ausdrücke eigens zu dem Zweck ausgewählt, Yvette aus der Fassung zu bringen. Tatsächlich verfolgte sie mit Yvette dasselbe Ziel, das sie so häufig bei Alfie verfolgte – sie versuchte, einen Streit zu provozieren.
Yvette hatte bis zu diesem Punkt immer wieder Entschuldigungen für Molly gefunden. Aber an jenem Tag war ihr plötzlich klar geworden, dass dies keine Frau war, die lediglich überfordert war. Vielmehr bezog sie ihre Lebenskraft aus Chaos und Zerstörung, und sie hatte ein schwarzes Herz. Außerdem tat sie ihr Bestes, um Yvette in ihre schmutzigen Spielchen hineinzuziehen.
Erst da versuchte Yvette, sich von der ganzen Familie Muckle zu distanzieren. Sie öffnete den Kindern nicht mehr die Tür und ignorierte Molly, wenn diese ihr über den Zaun etwas zurief. Selbst als Angela, das letzte Kind, zur Welt kam, wurde sie nicht schwach und bot keine Hilfe an. Aber da sie in unmittelbarer Nähe der Muckles lebte, bekam sie dennoch hautnah mit, was nebenan vorging.
Bei den Muckles wurden Körper wie Essen und Trinken geteilt. Molly schlief mit zweien von Alfies Brüdern, während er zusah, und Alfie scheute sich nicht, Dora, Mollys zurückgebliebene Schwester, regelmäßig zu missbrauchen. Vor kurzem war Mike, Alfies junger Neffe, zu ihnen gezogen, und jetzt war er es, der Dora für sich beanspruchte. Doch seither hatte Yvette mehrfach gehört, wie Mike es im Hinterhof lautstark mit Molly trieb, während die Kinder im Wohnzimmer saßen und fernsahen. Die vier ältesten Muckle-Sprösslinge hatten das Haus bereits verlassen: Die beiden Jungen saßen regelmäßig im Gefängnis, und die zwei Mädchen waren hochschwanger fortgegangen und nie mehr zurückgekommen.
Inzwischen gab sich Yvette, was Molly oder Alfie betraf, keinen Illusionen mehr hin. Die beiden waren in jedem Aspekt ihres Lebens vollkommen unmoralisch; sie bestahlen jeden, schüchterten jeden ein, der ihnen in die Quere kam, vernachlässigten und schlugen ihre Kinder und lebten im Dreck. Jedes Mal, wenn die Polizei ins Haus kam, betete Yvette, dass sie sich endlich eine lange Gefängnisstrafe eingehandelt hätten. Aber so weit kam es nie. Irgendwie wanden sie sich aus jedem Schlamassel heraus, und im Laufe der Jahre wurden sie immer schlimmer.
Jetzt blieb Yvette nichts anderes mehr übrig, als ständig auf der Hut zu sein. Sie musste nicht nur daran denken, die Hintertür verschlossen zu halten, damit keins der Kinder ihr
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