Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
Ausstrahlung verlieren und sich ihrer eigenen Familie und der bürgerlichen Welt, in der sie aufgewachsen war, entfremden würde.
Sie hatte etwas Besseres verdient.
Yvette wusste um diese Dinge, weil es genau das war, was ihre eigene Mutter erlebt hatte. Sie war mit einem Mann davongelaufen, den ihre Eltern für einen Schurken gehalten hatten, und sie hatten Recht damit behalten, denn als die Dinge nach Yvettes Geburt schwierig geworden waren, hatte er ihre Mutter tatsächlich sitzen lassen. Mama hatte von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang genäht, so lange, bis es zu dunkel wurde, um etwas zu sehen, aber trotzdem waren sie oft hungrig zu Bett gegangen. Yvette fragte sich, was sie davon gehalten hätte, dass ihre Tochter praktisch in der gleichen Situation geendet war, wenn auch ohne Kind. Sie hatte geglaubt, Yvette die Chance auf ein sehr viel besseres Leben zu eröffnen, indem sie sie fortgeschickt hatte, als die Deutschen Paris besetzt hatten. Vielleicht war es nur gut, dass sie vor Ende des Kriegs gestorben war, denn es hätte sie umgebracht zu erfahren, was ihrem Kind zugestoßen war.
Yvette konnte sich noch gut an ihre erste Nacht hier in der Dale Street erinnern. Sie war so dankbar dafür gewesen, endlich ein eigenes Heim zu haben, dass sie kaum bemerkt hatte, wo sie gelandet war. Sie war erst einundzwanzig gewesen, und zwei Jahre waren vergangen, seit der Krieg mit all seinen Grausamkeiten ein Ende gefunden hatte.
Yvette hatte praktisch nichts gehabt, was sie hatte auspacken müssen, lediglich Kleider zum Wechseln, ein Handtuch, ein paar Schilling in ihrer Börse und eine kleine Tüte mit Lebensmitteln. Sie sprach nicht mehr als ein Dutzend Worte Englisch, und es war so kalt, dass sie im Bett all ihre Kleider anbehalten musste. Aber sie war glücklich, weil sie eine Stellung als Schneiderin in Mayfair bekommen hatte und am nächsten Tag anfangen sollte. Sie glaubte, alle Kränkungen und Demütigungen in Frankreich zurückgelassen zu haben.
Mr. und Mrs. Jarvis waren die Ersten, die sie willkommen hießen. Mr. Jarvis war während des Ersten Weltkriegs in Frankreich gewesen und sprach ein wenig Französisch, und er lud sie zum Mittagessen am kommenden Sonntag ein. Traurigerweise starb er einige Monate später, aber Yvette würde sich immer voller Zuneigung an ihn erinnern, denn an jenem Sonntag hatte er ihr viele englische Worte beigebracht.
Aber trotz der Kälte und der Einsamkeit jenes Winters 1947 fand sie viele Gründe dafür, dankbar zu sein, dass sie nach London gekommen war. Zuerst einmal grübelte sie nicht mehr so viel über die Vergangenheit nach. Die Albträume, die sie zuvor buchstäblich jede Nacht gequält hatten, waren weniger heftig und wurden seltener. Ihr gefiel die Höflichkeit, mit der die Engländer an Bushaltestellen und an Ausgabeschaltern für ihre Rationen anstanden, sie drängelten niemals, wie Yvette das in Paris kennen gelernt hatte. Ihr gefielen ihre Zuneigung zu dem König und der königlichen Familie und die Hilfsbereitschaft, mit der die Menschen ihr begegneten, wenn sie feststellten, dass sie Französin war. Vor allem aber gefiel ihr London selbst. Es mochte etwas mitgenommen sein vom Krieg, doch es gab noch immer viele schöne Gebäude und wunderbare Parks.
Yvette erinnerte sich daran, wie sie auf dem Höhepunkt ihrer Einsamkeit aus der Näherei Stoffreste aus Samt und Seide mit heim genommen hatte. Im Bett hatte sie sie an die Wange gehalten, geradeso wie sie es als Kind mit den Stoffresten ihrer Mutter getan hatte.
Als kleines Mädchen hatten diese luxuriösen Stoffe sie in eine Welt der Tagträume entführt. Sie sah sich und ihre Mutter in einem prächtigen Haus leben; der Tisch bog sich unter allen möglichen teuren Lebensmitteln, und sie trug schöne Kleider. Ihre Mutter schuftete sich in diesen Träumen niemals an ihrer Nähmaschine ab, sondern spielte Klavier, tanzte oder pflückte im Garten Rosen. Und sie lächelte die ganze Zeit über.
Als Erwachsene waren Yvettes Tagträume weit weniger ausgefallen. Die Berührung und der Geruch feiner Stoffe waren lediglich der Trost, dass sie in einer sicheren, nur für Frauen zugänglichen Welt gelandet war. Sie mochte ihre Fähigkeiten als Schneiderin benutzen, um dafür Sorge zu tragen, dass ihre Damen bei Bällen, Partys und Hochzeiten männliche Aufmerksamkeit erregten, aber sie selbst brauchte nichts dergleichen mehr zu erdulden.
Manchmal bemerkten ebendiese Damen, dass sie schöne Augen habe, und dann hielten sie
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