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Wo die letzten Menschen hausen

Wo die letzten Menschen hausen

Titel: Wo die letzten Menschen hausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Chilson
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war. Auf dem Tablett gab es keine Blumen. Trebor setzte sich widerstrebend.
    Der Bühnenvorhang war königsgrün, was eine Tragödie ankündigte. Er öffnete sich vor einer schrägen Bühne, die zur Rechten der Zuschauer anstieg. Der rechte Vorhang wurde ganz geöffnet, der linke nur zur Hälfte. An der Rückwand sah man ein Augenpaar, die Augen des Dramatikers; zwei Augen, die eine Dualität des Themas ankündigten. Die Augen waren lang und schmal und bedeuteten die grundlegende Enge beider Betrachtungsweisen. Ihre Innenwinkel standen nah beieinander, was die eigentliche Verwandtschaft beider Ansichten bedeutete. Sie standen in einem Winkel von fünfundvierzig Grad schräg, und das hieß – Trebor konnte sich nicht mehr erinnern.
    Das Bühnenbild zeigte einen reichgeschmückten Raum, silbern und weiß, mit rotbraunen Wandbehängen, die faltig durch Rubine waren. Ein Podiums-Masnad ohne Baldachin stand am Ehrenplatz, unbesetzt, davor eine königliche Ottomane. Lüster, glitzernd mit Opalen und Amethysten, warfen perlmuttfarbenes Licht auf die prächtige Szene und ließen es auf die Flügelgewänder des Publikums hinausfließen.
    Trebor seufzte unhörbar.
    Nun öffneten sich die Augen, grün mit goldenen Pupillen, wie die der Vandamaraner. Sie blickten auf der ganzen Bühne umher, vergewisserten sich, daß alles seine Ordnung hatte, und sahen dann rätselhaft auf die Zuschauer hinunter. Die Schwarmlinge saßen angespannt, bis sie begriffen, daß die Augen nicht zwinkern würden; eine Welle murmelnder Erleichterung ging durch sie, untermalt vom Knirschen aromatischer Eisportionen in exotischen Formen. Die Augen wandten sich nach rechts, zur Bühne hinauf.
    Auftritt der Ampetarion, in Gestalt eines unförmig dicken Mannes, nackt und eingeölt, scheinbar aus Schleim bestehend. (Der Darsteller war geschlechtslos.)
    »Steht mir bei, o Götter des Lebens, denn mich hungert mit einem ungeheuren Appetit!« brüllt er mit quietschender Stimme. »Solcherart ist meine Natur, daß ich genährt werden muß, soll nicht alles enden. Duldet jetzt, daß ich mich vom Guten nähre, denn ich will das Beste, das bekannt ist. Das Jüngste, das Zarteste, das Süßeste, all das ist mein Begehren, frisch Entwöhntes, ja Ungeborenes. Die Sauce mache ich mir selbst, rot, gut gerührt, hoch in der Stimmlage. Nichts kommt ihr gleich.«
    Die Augen rollen wieder nach rechts.
    Auftritt der Zymanior, ein hochgewachsener, schlanker, nahezu fleischloser Mann mit Leichnamsgesicht, hohlen, dunklen Augen und Totenschädellächeln. Er trägt eine Peitsche.
    Der Zymanior verbeugt sich, überreicht dem Ampetarion die Peitsche.
    »Hör auf mit deinem armseligen Gebrüll, Seele der Gefräßigkeit! Fort von hier, geißle dich, betrachte das Gute, das Wahre, das Schöne. Denn allein durch dies kommt Erlösung zustande.«
    »Fort gehe ich, die Peitsche tragend, aber nicht, um mich zu geißeln«, verkündet der Ampetarion, die Peitsche bedeutungsvoll schwingend. »Ich gehe jetzt, die Sauce für mein Frühstück zu bereiten, und sollte Speise mir nicht gewährt werden, soll die Sauce allein genügen.«
    Abgang rechts. Der Zymanior geht die Bühne hinauf, hinunter, die Arme verschränkt, den Kopf auf die hohle Brust gesenkt.
    »O Torheit des eitlen und kurzlebigen Menschen«, deklamiert er, »nur an plumpen und körperlichen Appetit zu denken. Was hilft die Erhebung des Menschen über die Bestien« – Jitartinto warf einen verlegenen Blick auf Trebor, der die Anspielung nicht begriff –, »die von der Freude der Schönheit nicht wissen? Zu welchem Ende die fein unterscheidende Vortrefflichkeit der Empfindung, wenn sie nur dem vulgären Zeug zugewandt wird, das den Appetit nährt? Denn es sind nur jene mit Selbstdisziplin, die den wahren Schmerz solcher Freuden und die wahren Freuden der Schmerzen kennen.«
    Wieder rollen die Augen nach rechts.
    Auftritt die Innotend in Gestalt eines süßen, schönen Mädchens. (Ein kleiner, geschlechtsloser Mann oder ein Kind, sehr blaß, mit einer hüftlangen Perücke aus goldenem Haar, einem winzigen Krönchen, einem Silberkleid und einem Gesicht wie Eis.)
    »O treuer Zyman«, ruft sie mit hoher, süßer Stimme, »steht mir zur Seite! Gewiß habe ich die Erde eben jetzt beben hören. Seht noch einmal zum Tor der Festung.«
    Die Augen rollen nach links, und der linke Vorhang zieht sich noch ein wenig zurück und gibt den Blick auf einen hohen, schmalen Türschlitz frei, einen Spitzbogen, dreifach vergittert.
    Der Zymanior

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