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Wo die letzten Menschen hausen

Wo die letzten Menschen hausen

Titel: Wo die letzten Menschen hausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Chilson
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Menschen fort waren, blieb der Wald, unverändert, unberührt.
    Trebor, kein abergläubischer Mann – er wußte sehr wohl, daß kein Geist der Großen Exorzisten-Beschwörung des Eldric- Rätsels widerstehen konnte –, blieb trotzdem nervös wachsam, als er nach Nordwesten marschierte. Der Wald glich einer brütenden Kathedrale der Dämonenanbetung. Trebor konnte auch nicht die vagen, geflüsterten Erzählungen von Ungeheuern vergessen … Oger und Riesen und jener bebende Berg glänzender Gallerte, der Schnecke … die Großen Würmer, die bis auf ihre Köpfe völlig eingegraben waren, bereit, die Mäuler zu öffnen und mit einem Schluck einen Menschen zu verschlingen – man sagte von ihnen, daß sie auch im Rhomontasonn-Sumpf zu finden seien … die Riesen-Webspinner … der Jagd-Sechsfuß, der seinen Schwanz schleudert …
    Aber er sah nichts als das schlängelnde Huschen von Leben an der Oberfläche, das Springen und Laubrascheln von Baumwesen. Mit der Zeit überfiel ihn Hunger und rückte seine Ängste in den Hintergrund.
    In seinem Gehirn stand stets das Wissen im Vordergrund, daß zumindest ein Feind sich im Wald herumtrieb: Ozziwun der Göttliche. Trebor hatte wild unter den großen Stämmen gesucht, war über Wurzeln gestolpert und durch Schlamm gewatet, ohne jeden Erfolg. Ozziwun war nicht der stammelnde Tölpel, der Ozzyman gewesen zu sein schien; während der ganzen Suche hatte Trebor eine zweite Donnerkugel gefürchtet. Er gab die Suche auf und eilte nach kurzer Überlegung nach Nordwesten.
    Ozziwun war alt. Trebor schlug eine Gangart ein, die darauf abzielte, Ozziwun umzubringen, und hielt sie trotz Erschöpfung, Hunger und Sturm den ganzen Tag durch.
    Der Sturm erfrischte Trebor erheblich, indem er ihn in Wut versetzte. Trebor stampfte, Flüche murmelnd, durch ihn weiter, und zuckte ungeduldig mit dem Kopf gegen die schwärmenden Käfer. Er verfluchte alle Hofmoden-Erfinder, Ozziwun, die Aeroben, Lyantha – vor allem diese Hexe –, die Adligen von Linllallal, den toten Vion und jeden anderen, der Mitschuld an seiner Lage trug, mit Ausnahme von Lissa, Viani und sich selbst.
    Trebor gehörte nicht zu den beeindruckbaren Dichtern oder Schlimmeren, die Stürme lieben. Zuerst rauschte der Regen dermaßen herunter, daß Trebor kaum mehr etwas sehen konnte. Äste schlugen ihm trotz seines Hutes in sein Gesicht. Donner grollte und ließ ihn sich angstvoll nach dem Riesen umblicken. Der Wind pfiff wie Schwerter, und Zauberei ließ jedes Blatt emporstehen und zahllose blaßäugige Unterseiten ihm entgegenblitzen. Frostschauer schüttelten sein Rückgrat, machten ihn mit einem Prickeln bekannt, das nicht von Kälte, Wind oder Wasser stammte.
    Aber er stapfte beharrlich weiter, geleitet von seinem Richtungssinn.
    Nach dem Sturm wurde das blaßgraue Licht eine Weile heller, um wieder nachzulassen, und dankbar suchte er sich eine harte, aber trockene Wurzel. Wäre nicht seine Erschöpfung gewesen, er hätte nicht schlafen können; er hatte nun seit einem Tag und einer Nacht nichts mehr gegessen.
    Der dunkle Wald wurde noch dunkler, noch höher, noch feierlicher. Er blickte aus mächtigen Wipfeln auf diesen schmutzverkrusteten, erschöpften Mann in abgetragener Höflingskleidung herab, der auf einer krummen Wurzel lag. Alt, sehr alt war er, beschäftigt mit seinen alten Gedanken und nun streng auf diesen Mann des frechen, unehrerbietigen modernen Zeitalters herabblickend, der seine düsteren Wege durchstapfte und seine alte Stille störte. Etwas mußte geschehen …
    Angst stieg in Trebor hoch; die Bäume schienen aus jeder Richtung in düsterem Schweigen etwas zu erwarten. Sein Instinkt brachte ihn mit hämmernden Herzen auf die Beine, als zwischen zwei mächtigen Stämmen ein Gesicht erschien.
    Es war das Gesicht Randires, das jetzt im Fauchen schrecklich verrunzelt war. Die Augen glühten vor Haß. Aufstöhnend riß Trebor das Schwert heraus – schmal wie ein Strohhalm war es, gegen diese Riesenmasse Mord in Rot und Schwarz. Bevor die große Bestie springen konnte, fuhr Trebor herum und hetzte hinter den nächsten Baum, angstvoll hervorlugend, um zu sehen, von welcher Seite sie angreifen würde.
    Randire stürzte heran, in der Düsternis so groß wie ein Schlangenschiff. Mit schwachen Knien begann Trebor zu laufen, er duckte sich hinter einen anderen Baum, raste verzweifelt weiter. Er schaute um und sah Randire riesenhaft und fauchend hinter sich. Der Boden unter seinen Füßen war vom Regen aufgeweicht.

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