Wo die letzten Menschen hausen
Götter wurden und die Menschenrasse die Höhen erreichte, die zu erklimmen sie stets versucht hatte. Eine zeitlose Ewigkeit lang beherrschten Die Worte den Menschen, wie der Mensch Die Worte, und der Himmel reichte von der Erde bis zum fernsten Stern.
Siebzigmal auf diesem gewaltigen Kliff war das Gesicht neu gemeißelt worden, das stets hinausblickte nach Süden über die enge, ruhige Wasserstraße zur Insel Freyinnis, während die Menschen diese Worte vergaßen und behaupteten, sie wären über sie hinausgewachsen. In Wirklichkeit aber stürzten sie steil die Höhen hinab, die sie erstiegen hatten, und hörten in ihrer Scham auf, zu den Sternen hinaufzublicken. Und das letzte Gesicht verwitterte langsam, ohne seinen Ausdruck je zu ändern. Viel später fragten die Menschen sich, wie dieser Ausdruck gewesen sein mochte. Und dann war das Gesicht verschwunden und vergessen und das halbe Kliff zernagt, und Ozean-Iréné starb, und das Letzte Salzmeer starb auch, und Yang wurde geboren und strömte langsam aus dem verbleibenden Zittersumpf ab, und am Fuß der Klippe kam ein Baumstamm zum Stillstand.
Trebor war froh, daß sein Stamm zur Ruhe gekommen war, denn er fand sich im Griff der Yens, der geheimen Beschwörung Yangs, und der wollte nicht, daß diese Verzauberung so bald aufhörte, wie sie es mußte, wenn der Yang ihn hinabtrug zum schönen Athea.
Nun drehte er dem alten, rätselhaften Kliff, das tausend Jahrhunderte vergessener Geschichte gesehen hatte, den Rücken und betrachtete einen Baum. Das letzte blasse Glühen des Sonnenuntergangs schien vorbei vom Fuß von Irillion und zeigte einen riesigen, knorrigen Stamm mit mächtigen, verkrümmten Ästen, knotigen Gelenken, der seinen bewundernden Blick ernsthaft erwiderte. Was für ein alter, alter Baum! dachte Trebor.
Der Baum war ganze dreihundert Jahre alt.
Der träge Yang rollte langsam in den purpurnen und schwarzen Schatten dahin, als der letzte Anhauch von Licht aus dem Himmel verschwand und der Nebel heraufkam, um die klaren Sterne oben zu bedrängen. Der Yang rollte und drehte sich und löste ein Ende des Stammes vom Ufer und trug diesen gegen einen Felsen unter Wasser, mit hallendem Krachen, so daß Trebor kopfüber in den undeutlich sichtbaren Fluß geschleudert wurde.
Schnaubend kletterte Trebor wieder auf den Stamm, während warmes, braunes Wasser von seiner schäbigen Kleidung floß. In der feierlichen Stille der Nacht erhob sich seine Stimme.
10
Scheinen nicht zu wissen …
An einem klaren Tag sieht man den Aufbruch – Sesom, der Anblick Vallatias von den Hackmatack-Hügeln aus.
Morgen. Die Türme Vallatias, berühmt in Lied und Märchen, leuchteten vor ihm. Der Yang rollte mühelos zwischen den Hackmatack-Hügeln heraus und trug den Baumstamm, auf dem Trebor schläfrig grinste. Nach Vallatia ging es nicht weit hinunter, aber die Stadt lag unter ihm. Die zusammengedrängten Türme aus abgeschliffenem, verblaßten Ziegel- und Mauerwerk boten kaum einen überwältigend schönen Anblick. Trebor hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Sein Untertauchen hatte ihn gerade noch rechtzeitig geweckt, und danach hatte er sich grimmig wachgehalten.
Nun stieg er betäubt an Land und streckte sich auf dem Ufer aus. Nach etwa drei Stunden weckte ihn die Hitze. Er setzte sich auf, starrte Vallatia finster an und betrachtete das ganze schöne, grüne, üppige, bis zum Horizont vom Yang durchschlängelte Land Aetha. Boote wurden den Fluß hinaufgerudert, beladen mit Nahrungsmitteln, um mit Fertiggütern zurückzukehren. Ein Rad von Straßen führte in das flache Land rund um die Stadt, jede Straße war voll von Bauernkarren oder Viehherden für den Verkauf. Zwei große Fernstraßen reichten westlich und südwestlich nach Aetha; beide waren in schlechtem Zustand, dunstig von Staub.
Eine dritte Fernstraße führte parallel zu den Hackmatack-Hügeln und jenseits davon nach Norden, zu den Sunder-Hügeln zwischen Aetha und Lin Llallal. Dort waren Händler unterwegs, aber der Verkehr war vorwiegend örtlicher Art. Aetha war das größte Land in Iréné und beinahe autark, wenn auch nicht so reich wie ehemals. Es exportierte vor allem Kunstgegenstände, feines Kunsthandwerk, Korn und Sklavenmädchen, im Austausch für Stahlgerät und mechanische Anlagen wie Pumpen und Sonnenkraft-Motoren.
Trebor wusch sich das Gesicht, um seine betäubten Gedanken anzuregen, aber es kam ihm kein glänzender Plan in den Sinn. Immerhin, zuerst würde er in die
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