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Wo die letzten Menschen hausen

Wo die letzten Menschen hausen

Titel: Wo die letzten Menschen hausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Chilson
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gelten, aber er hatte offensichtlich versucht abzuspecken; sein zweites Kinn hing als Hautfalte herab, seine Arme waren schlaff vor lockerer Haut, sein ganzer Körper wirkte wie ein halbleerer Sack.
    »Willkommen, guter Nodrog«, sagte er mit hoher Stimme. »Weit seid Ihr von Eurer illustren Heimat; im schönen Aetha sind seit je nur wenige Nivier gesehen worden. Der Ruhm der Philosophen von Nive eilt Euch voraus. Ihr sagt, Ihr seid ein Student der Eldric-Rätsel?«
    Trebor verbeugte sich höflich. »Nur ein Student  – ein armer Student. Da ich von Eurer Meisterschaft im Unsichtbaren Reich hörte, kam ich hierher, um mich unter Eure Förderung zu stellen, im Vertrauen darauf, daß mein geringes Wissen Eures Schutzes wert sei. Amballa ist kein Ort für mystische Meditation, sondern ein derber, wimmelnder, kommerzieller Bienenkorb, jeder feineren Empfindungen bar.«
    »Ja, ja, wir kennen Amballas Derbheit alle gut. Sie verlangen sogar Zoll für Kunsteinfuhren.« Die dicken Lippen schmollten, »'s ist ein Vergnügen, Euch in unserem armseligen Schutz willkommen zu heißen, guter Nodrog. Aynos wird Euch jetzt ein Lager in einem alten Stall zeigen, wo andere der mystischen Bruderschaft schlafen.« Er sah Trebor besorgt an. »Ich weiß, daß der Augenblick nicht günstig ist, aber – der gute Aynos ist ein Skeptiker – ich muß ihn ertragen – könntet Ihr uns ein Zeichen Eurer Meisterschaft geben?«
    »Aber gerne, Meister. Doch fürchte ich, mein armes Wissen ist weniger denn eindrucksvoll für einen so erfahrenen Mann wie Euch.« Trebor setzte sich auf den nackten Boden und konnte im letzten Augenblick verhindern, daß seine Scheidenspitze auf den Boden klopfte. Er lüftete seine asketische Robe und schlug die nackten, behaarten Beine übereinander, in der Hoffnung, die Narben des Fechtunterrichts würden unbemerkt bleiben. »Ich bin einer von denen, die, den Fußstapfen der Sennarener folgend, den Clan destign suchen, der im Vierten Buch der Geheimnisse der Theiks erwähnt wird. Wenn es Euch beliebt, werde ich jetzt einen neuen Versuch unternehmen, obwohl ich nichts versprechen kann; die Zeit ist nicht günstig.«
    Sidiuns Augen funkelten bei der Erwähnung des Clan destign interessiert, aber er spitzte die Lippen und runzelte die Stirn.
    Einer der Künstler begann träge das Wort zu ergreifen. Sie hatten Trebor mit geringem Interesse betrachtet und weiterhin in gedämpftem Tonfall alle Künstler außer sich heruntergemacht. Ganz offensichtlich waren auch sie Skeptiker. Sidiun hatte jedoch auch künstlerische Neigungen, wie überhaupt kein Pandamon es sich leisten konnte, die Kunst zum Feind zu haben; ein großer Teil des Einkommens von Vallatia beruhte auf dem Export von Kunst. Die anmaßenderen und weniger beschäftigten Künstler verbrachten viel Zeit bei Hofe.
    »Gebt uns eine Prophezeiung oder beschwört wenigstens einen Geist«, sagte er. »Nichts von Euren Welterforschungen in Trance, von wo Ihr Geheimnisse mitbringt, die auf Eure Einbildung beschränkt sind.«
    »Die meisten Mystiker besitzen eine entsetzlich armselige Phantasie«, meinte der andere gedehnt. Er hatte ein messerscharf geschnittenes Gesicht und klare, scharfe, dunkle Augen. »Die meisten ihrer Trancevisionen sind jämmerlich schwach.«
    »Wenn Eurer Meisterschaft beliebt …?« Es beliebte.
    Trebor war vorbereitet. Er lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück, bis er direkt an die Decke starrte und das Gefühl hatte, sich den Hals zu brechen. Er schwankte vor und zurück und begann vor sich hinzumurmeln. Er drehte sich herum und senkte den Kopf, dann zuckte er plötzlich mit einem Aufschrei hoch. Er hörte, wie die Künstler auch hochfuhren, und der verdammte Musikant beendete endlich seine Quälerei.
    »Ich sehe Pracht!« rief Trebor und riß die Arme auseinander. »Mächtige Städte, beherrscht von großen Königen … Flotten großer Schiffe im Kampf … eine gewaltige Armee marschiert, marschiert, Schanschids, Rhamrans, Männer in schimmerndem Panzer … Zauberboote kreisen, kreisen in der Luft. Sie beschießen einander mit Zauber, noch einmal — eines stürzt herab!«
    Sein Sinnen auf dem Yang kam ihm zugute. Er hatte solche Szenen mehrmals miterlebt, wenn sein Vater durch wandernde Beutelschneider fast ebenso leicht zu täuschen gewesen war. Trebors private Meinung über sie entsprach jener des zweiten Künstlers; sie verrieten wenig Phantasie und bewiesen noch weniger Kunstfertigkeit.
    Er beschrieb eine grauenhafte Hexenkönigin,

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