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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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nicke.
    Â»Sieht sie immer noch so aus?«, will er wissen. Er blinzelt.
    Â»Ja. Sie hat auf jeden Fall meine Ohren«, sage ich und drücke sie mir an den Kopf. »Und deine. Vielen Dank auch.«
    Er versucht ein Lachen, aber aus seiner Kehle kommt nur ein erstickter Laut.
    Â»Du wirst es ja sehen«, sage ich. »Bald lernt ihr euch kennen.«
    Â»Ja. Aber ich kann einfach nicht glauben, dass sie groß geworden ist. Sie ist jetzt eine junge Frau.«
    Ich nicke. »Ich fühle mich so alt.«
    Â»Hast du eine Ahnung«, sagt er und fährt sich mit den Fingern durch das silberne Haar. Plötzlich wird mir bewusst, dass auch er altert und eines Tages nicht mehr da sein wird. Ich bin so froh, dass ihm bis jetzt nichts zugestoßen ist.
    Â»Weißt du, heute Morgen beim Rasieren habe ich an dieses Babyfoto gedacht«, sagt er und betrachtet es. Ȇber die Jahre habe ich es mir oft angeschaut und versucht, sie mir vorzustellen. Und heute dachte ich, jetzt lerne ich sie endlich kennen, aber das kleine Baby ist für immer verschwunden.«
    Ich höre ihm zu. An seinen Worten merke ich, dass er nicht einfach nur laut denkt, sondern auf eine bestimmte Botschaft zusteuert.
    Â»Und dann wurde mir klar … dass das unweigerlich passiert. Es ist mit dir passiert. Mein Baby ist verschwunden. Mein kleines Mädchen ist verschwunden.«
    Â»Dad! Ich bin nicht verschwunden!«, rufe ich.
    Â»Ja, ich weiß. Aber auf bestimmte Art eben doch. Klar, wir sehen uns regelmäßig. Wir unterhalten uns miteinander. Ich weiß, was du so machst. Ich bekomme mit, dass du Freundschaften und Beziehungen pflegst und Karriere machst. Aber du bist einfach nicht mehr mein kleines Mädchen.«
    Er schaut auf, so wie im Gerichtssaal, wenn er nach Worten sucht, die er früher oder später finden wird. »So ist es eben. Kirby ist jetzt achtzehn, nicht?«
    Â»Ja.« Es ist das erste Mal, dass er ihren Namen ausspricht.
    Â»Sie wird bald von zu Hause weggehen. In die Welt aufbrechen und ihr eigenes Leben leben. Hoffentlich ein gutes Leben. Selbst wenn wir sie all die Jahre über gehabt hätten … selbst wenn du sie all die Jahre über gehabt hättest, so würde sie dich jetzt doch verlassen. Ich glaube, ich will sagen, dass das Leben in rasantem Tempo fortschreitet. Und es wird immer schneller. Manchmal ist mir nicht klar, welche Jahreszeit wir gerade haben … oder sogar welches Jahr. Aber wir müssen das Beste daraus machen. Aus unseren Entscheidungen. Aus unseren kurzen gemeinsamen Momenten.« Er atmet ein und langsam wieder aus. »Uns sind viele Tage und Jahre und Erinnerungen mit ihr versagt geblieben. Aber jetzt können wir sie kennenlernen. Und sie in unsere Familie aufnehmen. Und das werden wir auch tun.«
    Sein Kinn zittert. Plötzlich sieht er alt aus. Aber er schafft es, nicht zu weinen. »Verdammt«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Ich habe ein Gummiband und eine Büroklammer, aber kein Taschentuch.«
    Ich lache. Er beugt sich zu mir hinüber und umarmt mich so lange wie noch nie in meinem Leben.
    Â»Lass uns nach Hause fahren«, schlägt er vor. »Ich will meine Enkeltochter kennenlernen.«
    Wir nehmen den schnellsten Weg nach Hause. Meine Mutter ist in der Küche und bereitet ein aufwendiges Essen vor. Meistens hat sie die Rezepte im Kopf, aber heute liegen zwei aufgeschlagene Kochbücher auf dem Tisch.
    Â»Hallo, ihr Lieben«, sagt sie und guckt uns neugierig an. Erst betrachtet sie meinen Dad, dann mich. Sie will natürlich wissen, wie der Stand der Dinge ist, aber mein Vater und ich halten absolut dicht. Wir machen ihr bloß Komplimente wegen der Vorspeisen.
    Â»Das sieht ja köstlich aus«, sagt Dad.
    Â»Und wunderschön«, füge ich hinzu.
    Doch ihre Geduld ist am Ende. »Jetzt sagt schon, wie ist es gelaufen?«
    Â»Wie ist was gelaufen?«, frage ich.
    Â»Habt ihr miteinander geredet?«, will sie wissen.
    Â»Ja«, sage ich.
    Â»Ja«, wiederholt mein Dad. »Das haben wir.«
    Â»Und?«
    Â»Wir haben sämtliche Lügen der letzten achtzehn Jahren auseinandergenommen«, bemerke ich ganz trocken.
    Â»Es gab keine Lügen im Plural«, wendet sie ein, wickelt Frischhaltefolie um eine Platte mit pikant gefüllten Eiern und stellt sie in den Kühlschrank.
    Â»Lüge Nummer eins«, sage ich und zitiere sie: »›Ich werde deinem Vater nichts

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