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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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die Frage zu beantworten, sagte er: »Also. Das ist ein sehr ernstes Thema.«
    Â»So ernst nun auch wieder nicht«, gab ich zurück.
    Â»Doch, es ist ernst. Und wichtig. Sehr, sehr wichtig. Ich will damit sagen, wenn es dir wichtig ist, dann ist es das auch für uns. Stimmt’s, Lynn?«
    Â»Ich will sie ja gar nicht suchen«, ruderte ich zurück. »Ich wollte bloß wissen, ob es theoretisch möglich wäre. Jesses!«
    Â»Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen!«, rügte mich meine Mom.
    Ich erklärte ihr, dass Jesses doch ein ganz anderer Kerl sei als der, den sie meine.
    Charlotte lachte, und ich lächelte ihr zu. Egal, wie sehr sie mir auf die Nerven ging, ich liebte es, meine Schwester zum Lachen zu bringen.
    Dann schaute ich wieder meine Mom an und murmelte: »Die Frau interessiert mich doch gar nicht. Wahrscheinlich würde ich sie hassen.«
    Meine Mom wirkte erleichtert, und mein Dad sagte: »Du solltest nicht so reden. Sie hat mutig gehandelt. Sie hat getan, was für dich am besten war.«
    Â»Geschenkt«, entgegnete ich, obwohl ich wusste, dass meine Eltern dieses Wort nicht mochten. »Ist ja kein großes Ding.«
    Mein Vater machte weiter. »Möchtest du sie denn suchen, Kirby?«
    Â»Ich hab doch schon gesagt, nein!«
    Er nickte. Er glaubte mir offensichtlich nicht und erklärte, unsere Adoptionsagentur »Herzenssache« hätte den Namen meiner leiblichen Mutter in ihren Akten, damit ich mit achtzehn Jahren Kontakt zu ihr aufnehmen konnte, wenn ich das wünschte.
    Â»Kontakt?«, wiederholte ich so cool wie möglich.
    Â»Wenn du ihre Kontaktdaten willst, wird die Agentur sie dir geben«, sagte er. »Vorausgesetzt, deine leibliche Mutter hat ihre Daten immer aktualisiert. Sie hat sich dazu verpflichtet, aber sie weiß auch, dass es deine Entscheidung ist, nicht ihre. Sie hat keine Informationen über dich oder uns, und sie bekommt auch nie welche.« Und er hob die Augenbrauen, um seinen Worten besonderes Gewicht zu verleihen. »Und damit war sie einverstanden.«
    Mit anderen Worten, sie wollte mich nicht suchen, warum sollte ich sie dann suchen wollen? Ich zuckte mit den Schultern, als würden mich die rechtlichen Details langweilen, und beschloss, die Sache nie mehr zur Sprache zu bringen, wenigstens nicht meinen Eltern gegenüber.
    Doch von diesem Tag an faszinierte mich das Thema Adoption plötzlich auf ganz neue Art. Ich stürzte mich auf Geschichten, in denen adoptierte Kinder ihre leiblichen Mütter fanden und umgekehrt. Ich schaute Talkshows, in denen die Wiedervereinigung von Kindern und Müttern tränenreich inszeniert wurde, und ließ mich von ihren Schicksalen berühren. Manchmal ging es um Schuldgefühle und Reue, manchmal um Wut, meistens war es eine komplizierte Mischung von allem. Zuweilen stand auch ein dramatisches gesundheitliches Problem im Mittelpunkt, seltener irgendwelche Geheimnisse, Entführungen oder gar Mord. Im Kopf speicherte ich all diese Berichte, während ich mir gleichzeitig Gedanken über meine leibliche Mutter und ihre Geschichte machte. Ich dachte nie an sie wie eine zweite Mutter, eher wie eine entfernte Verwandte, eine Tante oder Cousine, zu der ich keinen Kontakt hatte und die etwas viel Aufregenderes tat als alle anderen in meinem Leben (das hoffte ich zumindest). Vielleicht war sie Musikerin oder Firmenchefin oder Chirurgin oder Missionarin in einem Entwicklungsland. Ich empfand keine Verbitterung, keine Feindseligkeit, bloß wachsende Neugier, und manchmal kultivierte ich eine flüchtige, romantisierte Vorstellung davon, wer sie wäre – und inwiefern das einen Einfluss auf mich hätte. Tief im Inneren spürte ich wohl, dass sie das fehlende Puzzleteil von mir war – und ich fragte mich, ob sie das genauso von mir empfand. Ich redete mir noch immer ein, dass ich sie nicht suchen wollte, aber ich fing an zu glauben, dass ich mich selbst nie richtig kennen würde, bis ich sie fand.
    Alle diese Gefühle wurden noch stärker, als ich auf die Bishop DuBourg High School kam. Da merkte ich, wie verloren ich mir im Grunde vorkam. Ich hatte keine richtige Identität und gehörte nirgends dazu, auch da nicht, wo ich mich früher wohlgefühlt hatte. Ich verließ das Volleyballteam, ging nicht mehr zum Gottesdienst und in die Kirchengruppe und vernachlässigte die Schule. Ich entfernte mich sogar von Belinda. Wir

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