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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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sein konnte. Für den Twitter-Gründer Jack Dorsey war sie es jedenfalls gewesen. Ich müsste mir bloß Mühe geben. So cool ich Mr. Tully auch fand, ich vertraute ihm nie ganz. Ich wusste, dass er mich mochte, aber ich wusste auch, dass er bezahlt wurde, um mich zu verstehen. Darum sagte ich ihm nie, wie miserabel ich mich im Inneren tatsächlich fühlte.
    Während einer meiner Besuche bei ihm (wir redeten gerade über meine schlechte Chemienote) kam das Gespräch auf meine Schwester, und Mr. Tully fragte mich geradeheraus, was sich bisher noch niemand getraut hatte: Ob es mir was ausmachte, dass ich adoptiert war und Charlotte nicht? Ich dachte lange darüber nach und schüttelte schließlich den Kopf. Nein. Ich fragte mich, ob das wirklich stimmte. Aber ich hielt es nicht für ein Problem. Charlotte rieb es mir nie unter die Nase oder erwähnte es auch nur. Wir hatten noch nicht einmal die üblichen Geschwisterrivalitäten, was seltsam war, wenn man bedenkt, dass wir nur elf Monate und eine Klasse auseinander waren.
    Und doch war da etwas zwischen uns, ohne dass ich genau zu sagen gewusst hätte, was es war. Ja, sie hatte eine super Figur (oder sagen wir, überhaupt eine Figur, während ich dürr und flachbrüstig und gerade mal eins achtundfünfzig groß war), sie hatte die schöneren Gesichtszüge und wunderbar dickes, lockiges Haar. Aber ich mochte meine graublauen Augen und mein blondes Haar lieber als ihren dunklen Typ. Sie war besser in der Schule, aber nur, weil sie doppelt so hart arbeitete und alles dreimal so wichtig nahm wie ich. Sie war viel besser im Sport. Ich war eine mittelprächtige Sportlerin, noch dazu gerade aus dem Volleyballteam ausgetreten, sie war eine Star-Schwimmerin, die alle möglichen Schul- und Stadtrekorde brach und immer wieder im Lokalblatt, dem St. Louis Post-Dispatch , erwähnt wurde. Der Esszimmertisch wurde regelmäßig zum Heiligenschrein, wenn meine Eltern die ganzen Trophäen und Zeitungsartikel dort ausbreiteten. Aber selbst das machte mir nichts aus. Ich hatte nicht den geringsten Nerv, zwanzig Stunden in der Woche mit ein und derselben Sache zu verbringen, nicht mal mit Schlagzeugspielen, und die Vorstellung, an dunklen Wintermorgen ins kalte Schwimmbecken springen zu müssen, fand ich total krank.
    Wenn es also weder ihre wundersame Zeugung, ihr gutes Aussehen, ihre schulischen oder sportlichen Erfolge waren, warum war ich dann auf sie eifersüchtig, wünschte mir manchmal gar, mit ihr zu tauschen? Ich war mir nicht sicher, aber ich vermutete, es hatte was damit zu tun, wie Charlotte sich im Inneren fühlte. Sie schien total im Reinen mit sich selbst – oder konnte sich zumindest den Luxus leisten, nicht darüber nachzudenken, wer sie war, und das machte sie so ungeheuer beliebt. Alle kannten und mochten sie, einfach alle: die Sportler, die Streber, die Kiffer und die Landeier. Ich dagegen fühlte mich meistens unsichtbar.
    Die Kluft zwischen Charlotte und mir wurde immer deutlicher. Ich erinnere mich an einen besonders bescheuerten Tag in meiner Zeit in der elften Klasse. Erst fiel ich durch einen Test in Geschichte. Dann bekam ich meine Tage, was sich mehr als deutlich an meiner Khakihose zeigte. Das bemerkte ich aber erst, als ich an die Tafel musste und eine Matheaufgabe lösen sollte, die ich natürlich nicht lösen konnte. Schließlich erfuhr ich noch, dass Tricia Henry herumerzählt hatte, ich sei lesbisch (was mir, wenn es gestimmt hätte, nichts ausgemacht hätte, aber sie war zu doof, um diesen feinen Unterschied zu begreifen) – einfach nur, weil ich Schlagzeug spielte.
    Charlotte dagegen wurde an diesem Tag vor dem jährlichen Schulball zur Ballkönigin gewählt – als Schülerin der zehnten Klasse! Das hatte es noch nie gegeben an der DuBourg. Ich musste ihr allerdings zugutehalten, dass sie ehrlich überrascht und sehr bescheiden wirkte, als sie von der Tribüne kletterte und in die Mitte der Turnhalle ging, wo Seth O’Malley, der hübscheste Junge der ganzen Schule, sie abklatschte und ihr seinen muskulösen Arm um die Schulter legte. Ich hielt es nicht für wichtig, Ballkönigin zu werden, und ich wollte auch nicht vor der ganzen Schülerschaft in blutbefleckten Hosen nach unten gerufen werden, aber ich war trotzdem wahnsinnig neidisch, wie mühelos meiner Schwester alles gelang. Wie konnte sie da bloß so selbstsicher stehen

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