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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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Achtundvierzig Zentimeter groß, schöne, blaue Augen, Flaum auf dem Kopf. Ordentlicher Appetit, kurz ein rundum goldiges Wesen. Die Frau bezeichnete mich als »perfekt« und sagte meinen Eltern, dass sie aus Hunderten von Paaren ausgesucht worden waren.
    Â»Gratuliere«, schloss sie. »Wir sehen uns bald.«
    Meine Eltern legten auf, weinten vor Glück, umarmten sich und lachten. Dann rasten sie zu »Babies R Us«, so wie andere Leute zum Supermarkt rasen, bevor der Blizzard kommt. Sie kauften rosa Kleidchen, ein Kinderbett, einen Autositz und so viel Spielzeug und Puppen, wie ich mir nur erträumen konnte. Zuhause verwandelten sie das Nähzimmer meiner Mutter in ein lila-gelbes Kinderzimmer.
    Am nächsten Tag fuhren sie nach Chicago und mieteten sich in ein Hotel neben dem Northwestern Memorial Hospital ein. Noch drei Tage mussten sie warten, bis sie mich das erste Mal sehen konnten, und keiner von beiden schlief in diesen Tagen mehr als ein paar Minuten am Stück, obwohl sie wussten, dass die nächste Zeit vermutlich auch nicht gerade viel Erholung bieten würde. Sie diskutierten über Vornamen. Meine Mutter war für ihren Mädchennamen, Kirby. Wir müssen sie zuerst sehen, meinte mein Vater. Ich müsse aussehen wie eine Kirby – was auch immer er darunter verstand.
    An dieser Stelle übernimmt mein Vater immer das Erzählen und beschreibt, wie er sich beim Rasieren geschnitten hat, weil seine Hände so zitterten. So aufgeregt war er, dass er beinahe meine Mutter ans Steuer gelassen hätte, obwohl sie furchtbar schlecht fährt. Dann springt er zu den Papieren, die sie in aller Eile unterschrieben haben, und dann zu dem Moment, als die Frau von der Agentur mit einem Baby in den Armen zurückkam – mit mir, eingepackt in eine rosa Fleecedecke.
    Â»Darf ich Ihnen Ihre Tochter vorstellen«, sagte die Frau, als sie mich meinen Eltern übergab. »Mein Kleines, das sind Lynn und Art Rose. Deine Eltern.«
    Das ist meine Lieblingsstelle. Wie sie mich das erste Mal im Arm hatten, mein Gesicht betrachteten, die Wärme meines Körpers spürten.
    Â»Sie hat deine Nase«, witzelte mein Vater und verkündete dann, ich sei eine Kirby.
    In dem Moment, sagen sie, sind wir eine Familie geworden. Es fühlte sich an wie ein Wunder. So ähnlich war es auch, als Charlotte (meine kleine Schwester) auf die Welt kam, die kurz nach meiner Adoption auf natürliche Weise gezeugt wurde. Der einzige Unterschied, sagt meine Mutter gerne, bestand darin, dass sie keine Schmerzen hatte, als sie mich bekam. Das kam erst später.
    Als Kind hörte ich diese Geschichte ungefähr tausendmal, genau wie die rührseligen Sprüche über Adoption. Einer hing gerahmt in meinem Zimmer: »Nicht mein eigen Fleisch und Blut, und doch wundersam mein Eigen. Vergiss nie, auch nicht für eine Minute: Du bist nicht unter meinem Herzen gewachsen, sondern mittendrin.« Ich wusste, welche Promis Babys adoptiert hatten, und noch wichtiger, welche Promis selbst Adoptivkinder gewesen waren: Steve Jobs, zwei amerikanische Präsidenten, darunter Bill Clinton (der gerade amtierte, als ich geboren wurde), zwei First Ladys, die Countrysängerin Faith Hill und ihr männlicher Kollege Tim McGraw (die auch miteinander verheiratet waren, ist das nicht cool?), Darryl McDaniels von Run- DMC – und, wie meine Mutter gerne betonte, Moses und Jesus.
    Obwohl ich genau verstand, was es mit einer Adoption auf sich hatte, verschwendete ich kaum einen Gedanken an meine leibliche Mutter und noch weniger an meinen leiblichen Vater. Sie waren wie Statisten in dem Stück, völlig bedeutungslos für die Handlung, wenn man von dem bisschen DNA mal absah. Sie hatten mich nicht haben wollen, aber abgelehnt fühlte ich mich deswegen nie. Meine Eltern wussten nichts über meine leibliche Mutter, erklärten mir aber andauernd, sie hätten mich nie einfach »weggegeben«, selbst wenn ihre Lage noch so schwierig gewesen wäre – sie hätten eine Lösung gefunden, weil es immer eine Lösung gibt. Rückblickend glaube ich, sie haben sich bloß an irgend so einen Ratgeber gehalten, aber damals habe ich es ihnen einfach so abgenommen. Meine leibliche Mutter tat mir beinahe leid, denn sie hatte mich ja verloren. Umgekehrt war sie kein Verlust für mich.
    Das erste Mal habe ich ernsthaft über sie nachgedacht, als wir in der fünften Klasse über

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