Wo die Liebe beginnt
die meisten sind richtig gut. Sogar die Amateure. Und damit meine ich auch unsere Barleute.« Er lächelt sie an.
»Hey! Wen nennst du hier einen Amateur? Neulich habe ich fünfzig Dollar für einen Auftritt bekommen!«
»Ach ja? Wo denn das?«
»Bei der Abschlussfeier meiner Nichte. Technisch gesehen bin ich jetzt also Profi.«
Conrad lächelt und sagt zu mir: »Du siehst, wir mögen hier Live-Musik. Hier gibt es keinen Karaoke-Müll. Nur handgemachte Musik. Rock, Soul, Funk, Jazz, Blues.«
Ich nicke und überlege, wie ich ihm zeigen kann, dass ich von Musik was verstehe â von guter Musik, und dass ich nicht bin wie Charlotte oder Belinda. »Ja, das habe ich schon gemerkt. Hier hört man Stevie Ray Vaughan und direkt danach Joni Mitchell â nicht schlecht.«
Er hebt die Brauen und lächelt. »Du hast wirklich Ahnung.«
Ich nicke.
»Machst du Musik?«
»Ja. Ich singe ein bisschen und spiele Gitarre. Aber in erster Linie spiele ich Schlagzeug.« Noch nie habe ich jemandem so viel so schnell über mich selbst preisgegeben. Sogar Philip habe ich das mit dem Schlagzeug erst gesagt, als er ein Foto von meinen Drums auf Facebook entdeckt hatte. Ich mache Fortschritte.
»Du spielst Schlagzeug?«, fragt er überrascht â und respektvoller als die meisten Menschen, wenn sie das erfahren.
»Ja.« Ich glaube, ich muss mich kneifen. Ich rede übers Schlagzeugspielen, in einer solchen Umgebung â und mit meinem Vater.
»Das ist echt stark.«
»Wieso? Weil ich ein Mädchen bin?«, frage ich gespielt beleidigt, obwohl ich seine Aufmerksamkeit und Anerkennung insgeheim genieÃe.
»Weil ich Drummer immer stark finde. Und auch, weil du ein Mädchen bist, ja.« Er wirft mir einen neckischen Blick zu. »Ein kleines Mädchen. Ein echtes Fliegengewicht.«
»Vielleicht. Aber ich kann spielen«, sage ich. »Und ich schlage fest zu.«
Er schenkt mir ein breites Lächeln. »Was hörst du denn so?«
»Alles Mögliche. Rock, Folk, R&B, auch Rap«, erwidere ich. »Alles bis auf Country. Aber meine Familie findet Country ganz toll. Die glauben, dass von Alan Jackson die Originalversion von âºSummertime Bluesâ¹ stammt.«
Er wirft den Kopf zurück und lacht aus voller Kehle. Dann schaut er mich ernst an und fragt: »Was sind deine fünf Lieblingsbands?«
»Puh, das ist eine schwierige Frage. Vielleicht Wilco, Radiohead, Van Morrison, R.E.M. und die Velvets«, zähle ich an einer Hand ab. »Maureen Tucker ist wirklich die GröÃte. Dicht gefolgt von Yael.«
»Verdammt, du bist echt meine Tochter.«
»Ja.« Ich kriege eine Gänsehaut. »Die bin ich.« Ich nehme einen groÃen Schluck Cola, lege den Strohhalm auf den Tresen und frage: »Und was ist mit dir? Marian hat erzählt, dass du mal in einer Grunge-Band gespielt hast?«
Als ich ihren Namen sage, reagiert er merklich gereizt. Dann sagt er: »Das ist lange her. Damals habe ich Flanellhemden getragen und dreckige Sounds geliebt, mit jeder Menge Fuzz-Box und Rückkopplungen. Wir hatten das ganze Programm drauf.«
»Was denn?«
»Nirvana, Pearl Jam, Alice in Chains, Mudhoney.« Einen kurzen Moment lang wirkt er wehmütig. Dann schüttelt er den Kopf. »Aber das ist vorbei. Ich habe mich weiterentwickelt.«
»In welche Richtung?« Ich versuche noch immer, cool rüberzukommen, aber ich bin so verblüfft darüber, wie gut mein Vater aussieht. Das verunsichert mich irgendwie.
»Ach, jetzt mache ich ein bisschen von allem. Wie du. Von Bo Diddley bis hin zu den Violent Femmes. Ich liebe Classic Rock. Die Stones, die Beatles, Bob Dylan. Ich höre sogar Country. Wenn man älter ist, lernt man die schlichte Botschaft der Texte erst richtig schätzen. Wird dir auch noch so gehen. Denk an Waylon Jennings und Hank Williams. Die sind einfach klasse.«
Ich denke an Philips T-Shirt und entgegne: »Ja, aber die sind doch eigentlich nicht Country.«
»Ach!« Er lacht. »Was sind die denn sonst?«
»Einfach Klassiker.«
»Wie alt bist du noch mal?«
»Achtzehn«, sage ich, und da huscht wieder ein Schatten über sein Gesicht. Denkt er jetzt an sie? Vor achtzehn Jahren. »Wie sauer bist du eigentlich auf sie?«, platze ich heraus.
Ich habe erwartet, dass er überrascht ist oder versucht, das Thema herunterzuspielen, aber er
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