Wo die Liebe beginnt
Bar, um eine Margarita zu machen. Während ich sie dabei beobachte, wie sie einen Salzrand ans Glas zaubert, frage ich: »Weià sie, wer ich bin?«
Conrad schüttelt den Kopf. »Nein. Ich habe es noch niemandem gesagt.« Er sieht mich an, will etwas sagen und überlegt es sich dann doch anders.
»Was ist?«, frage ich.
Er wirft einen Blick auf die Bühne und sagt: »Ich wollte dir nur sagen, dass sie allerdings deine Mutter kennt.«
»Wie denn das?« Waren die beiden vielleicht Klassenkameradinnen?
»Ist halt so.« Er zuckt die Schultern.
So einfach mache ich es ihm nicht. Ich starre ihn weiter an, bis er sagt: »Weil Marian meine groÃe Liebe war. Für lange Zeit. Und so was erzählt man seiner Freundin, wenn man jung und dumm ist und darauf hofft, dass das Leben noch viel mehr zu bieten hat als das, was man verloren hat. Ãber so was kann man endlos weitergrübeln. Aber ich versichere dir, das bringt dich nicht weiter. Denk immer dran, ja? Lebe in der Gegenwart, und halte dich nicht damit auf, über die Vergangenheit nachzudenken oder über das, was hätte sein können.«
Ich schaue ihm direkt in die Augen, und er erwidert meinen Blick. »Ja, ich weiÃ. Meine groÃe Liebe hat mir nicht mal gesagt, dass sie ein Kind von mir bekommen hat. Ich bin schön bescheuert, was?« Er schüttelt den Kopf und lacht verbittert.
»Das ist nicht bescheuert«, sage ich.
»Tja, aber es sagt etwas aus über â¦Â«
»Ich glaube nicht, dass das irgendwas über dich aussagt. Oder über mich.« Plötzlich sehe ich die Wahrheit vor mir. »Ich glaube eher, es sagt was über sie aus. Ãber die Person, die sie früher gewesen ist.«
»Die ist sie immer noch«, bemerkt er. »Menschen ändern sich nicht.«
Ich sage ihm, dass ich mir da nicht so sicher bin. Aber diese Erkenntnis hört sich aus meinem Mund vermutlich ziemlich seltsam an â ich bin ja gerade mal halb so alt wie er, und auÃerdem ist er mein Vater.
Er guckt mich skeptisch an. »Ach, meinst du?«
»Okay, vielleicht hast du recht. Aber sie hat wenigstens versucht, die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Sie ist diejenige, die dich aufgesucht hat. Und sie ist mitgekommen.«
»Aber achtzehn Jahre zu spät, findest du nicht auch?«
»Stimmt schon. Aber wenigstens sitzen wir jetzt zusammen hier.«
Er lächelt, nimmt einen groÃen Schluck Bier und sagt: »Ja. Da hast du recht, meine kleine Trommlerin. Das ist eine gute Lebenseinstellung. Versuch, sie dir zu erhalten.«
Ich lächele. Das, was ich gesagt habe, klingt eigentlich gar nicht nach mir, eher nach meinen Eltern oder Charlotte. Sieh immer die positive Seite. Sei dankbar für das, was du hast. Mit gesundem Optimismus kann man vieles erreichen. Plötzlich spüre ich ein bisschen Heimweh, aber keins, das mich traurig macht. Eher die Art von Heimweh, die einen daran erinnert, wer man ist und wo man herkommt.
»Und wie sind deine Eltern so?«, will ich von ihm wissen. Sie sind bestimmt ganz anders als Marians Eltern.
»Mein Dad ist so eine Art Nomade. Er lässt sich treiben und hat nichts als Flausen im Kopf. Dreimal war er schon verheiratet, und einen festen Job hat er noch nie gehabt, weil er findet, dass alle Chefs Idioten sind. Man kann sich nicht auf ihn verlassen. Aber er ist liebenswert, und alle mögen ihn.«
»Und deine Mom?«
Conrad sieht mich an. In seinen Augen flackert etwas. »Meine Mom ist bei einem Autounfall gestorben, als ich elf war.«
Mir schnürt sich die Kehle zusammen. »Oh ⦠das tut mir leid.« Warum hat mir Marian so was Wichtiges über ihn nicht gesagt?
»Ja, das war schlimm. Sie war eine tolle Mutter ⦠das sage ich jetzt nicht, weil sie gestorben ist. Sie war wirklich etwas Besonderes. Mit ihr war alles lustig, sogar als wir bettelarm waren. Und sie konnte fantastisch singen. Sie hatte eine tolle Altstimme.«
Ich muss gegrinst haben, denn er fragt mich: »Ist das etwa deine Stimmlage?«
Ich nicke.
»Klasse«, lächelt er. »Und, was meinst du? Möchtest du heute Abend ein bisschen was singen? Oder spielen?«
»Auf der Bühne?«
Er lacht. »Ja, auf der Bühne. Das Schlagzeug steht parat.«
Ich schüttele den Kopf.
»Warum denn nicht?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Hast du schon mal live gespielt? Vor Publikum?«
Ich schüttele wieder den
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