Wo die Liebe beginnt

Tage.
    Â»Kannst du mir verzeihen, Kirby? Dass ich dich so schlecht behandelt habe?«
    Â»Ja, na klar. Du bist doch meine beste Freundin. Und das bleibst du auch.«
    Dann sehe ich ihr in die Augen und sage ihr, dass alles gut werden wird. Wirklich alles, das Leben und die Zukunft und überhaupt. Und zum ersten Mal seit langer Zeit glaube ich tatsächlich selbst daran.
    Am Montagmorgen treffe ich Mr. Tully in seinem Büro an und bitte ihn um eine Entschuldigung für den Sportunterricht. »Das heißt, wenn Sie nicht der Meinung sind, dass man im Leben nur mit einer perfekten Badmintontechnik weiterkommt.«
    Er lächelt, deutet auf den Besucherstuhl und fragt: »Na, wie läuft die Vorbereitung auf die Matheprüfung?«
    Â»So la-la«, sage ich. »Oder wie heißt ›beschissen‹ auf Französisch?«
    Er sieht über meine vulgäre Ausdrucksweise hinweg und auch über meinen Versuch, witzig sein zu wollen. »Wie ich sehe, brauchst du zweiundsiebzig Punkte, um zu bestehen. Meinst du, du schaffst das?«
    Â»Ja«, sage ich lässig. »Klar.«
    Â»Es ist schön, wie zuversichtlich du bist!«
    Â»Ich habe mich ja auch ziemlich verändert.«
    Â»Ach ja? Hat das was mit deiner Reise nach Chicago zu tun? Oder mit deinem neuen Freund?«
    Ich sehe ihn an, überrascht und ein wenig beschämt. »Woher wissen Sie das mit Philip?«
    Â»Ach, ich habe ein bisschen bei Facebook spioniert«, gesteht er, und ich denke an die immer verliebteren Nachrichten, die wir gepostet haben.
    Ich lächele. »Ja, das mit Philip ist toll, aber verändert habe ich mich wegen meinem leiblichen Vater.«
    Â»Erzähl«, fordert Mr. Tully mich auf, knackt mit den Fingergelenken und beugt sich zu mir nach vorne.
    Ich grinse und erzähle alles von Anfang an. Wie gut wir uns verstanden haben und wie toll es ist, mit einem so begabten Musiker verwandt zu sein. Ich erzähle sogar, wie ich mich auf der Bühne gefühlt habe.
    Mr. Tully hört gespannt zu, noch aufmerksamer als sonst, und sagt, er wäre gerne dabei gewesen. »Irgendwann erlebe ich dich auf der Bühne. Wenn du der nächste Superstar in dieser Fernsehshow geworden bist.«
    Ich verdrehe die Augen.
    Â»Und dann kann ich sagen, dass ich dich schon früher gekannt habe …«
    Ich lächele. »Ich besorge Ihnen dann einen Backstage-Pass.«
    Er lacht. »Vergiss mich dann bloß nicht.«
    Ich lache auch und verspreche ihm, dass ich an ihn denken werde. Wir quatschen noch ein paar Minuten, dann sagt er: »Also, wir müssen uns noch über etwas anderes unterhalten. Nur eine kleine organisatorische Sache …«
    Ich schaue ihn geschockt an. »Bitte sagen Sie mir, dass es nicht um Missouri geht.«
    Â»Kirby.«
    Â»O nein, bitte nicht, Mr. Tully!«
    Er setzt sich über mein Gejammer hinweg. »Kirby, ich finde wirklich, du solltest es versuchen. Nur ein Semester. Dann kannst du immer noch aufhören oder auf ein anderes College wechseln.«
    Â»Haben meine Eltern Sie darauf angesetzt? Jetzt ist es sowieso zu spät, der Stichtag ist vorbei.«
    Â»Weißt du auch, dass deine Eltern die Anzahlung für dich geleistet haben?«
    Das wusste ich nicht. Vermutet habe ich es aber, weil sie das Thema kurz nach dem Stichtag nicht mehr angesprochen haben.
    Â»Schau mal, Kirby. Ich sage dir jetzt meine absolut ehrliche Meinung. Ich finde, du solltest aufs College gehen. Du kannst ja trotzdem Musikerin werden. Aber das College ist eine einmalige Erfahrung, und du solltest es wenigstens ausprobieren. Wenn du eine solide Ausbildung hast, kannst du hinterher immer noch deinen Plan B verfolgen.«
    Â»Warum kann das College denn nicht mein Plan B sein? Und die Musik der Plan A?«
    Â»Das schließt sich ja nicht aus. Denk an R.E.M. und Radiohead.«
    Ich verdrehe wieder die Augen.
    Â»Kirby, du könntest es auf die School of Music in Missouri schaffen.« Er nimmt ein paar ausgedruckte Blätter vom Schreibtisch. Oben steht mein Name. Ich überfliege den Rest. Instrumentalisten sollten ein oder zwei Stücke vorbereiten. Die Auswahl der Stücke soll geeignet sein, sowohl das Ausdrucksvermögen als auch die technischen Fertigkeiten des Kandidaten zu demonstrieren. Perkussionisten sollten sich darauf vorbereiten, mindestens zwei der folgenden Stücke zu spielen: ein Solo/eine Etüde auf Marimba, Xylophon, Vibraphon, Kleiner Trommel oder