Wo die Liebe beginnt
Und so meinte ich es auch nicht. Wir brauchen nicht jedes Mal miteinander zu schlafen, wenn wir uns treffen.«
»Anscheinend aber doch.« Ich klang anklagend. Das waren die ersten Spuren von Reue und Groll, dabei war ich es gewesen, die häufiger zu Sex gedrängt hatte als er.
»Komm doch rüber«, bat er etwas sanfter.
In diesem Moment wollte ich unbedingt in seinen Armen liegen. Aber als ich mich aufsetzte, bildete ich mir ein, meine linke Brust spanne. Ich sagte: »Ich kann nicht. Hab noch viel zu erledigen. Ich muss mich aufs College vorbereiten.« Meine Stimme war kühl. So hatte ich noch nie mit ihm gesprochen.
Er merkte das natürlich. »Na schön. Habâs kapiert.«
Am nächsten Morgen â es war Samstag â schüttelte ich die Bettdecke ab, zog das Nachthemd hoch und kontrollierte angespannt meine Unterwäsche. Nichts. Die Slipeinlage, die ich mir voller Hoffnung in die Unterhose geklebt hatte, war noch immer blütenweiÃ. Weinend rief ich Conrad an.
»ScheiÃe«, sagte er. »Ich komme zu dir. Sofort. Ich muss dich sehen.«
»Nein. Meine Eltern sind da.« Ich wusste nicht genau, warum ich ihn immer noch vor ihnen versteckte, und auch nicht, weshalb ich Janie anlog, wenn sie fragte, was ich abends so machte. Was meine Eltern betraf, gab es eine offensichtliche Erklärung: Sie würden Conrad »nicht gut genug« für mich finden. Aber bis jetzt, so redete ich mir ein, war das nicht der Grund für mein Verhalten, jedenfalls nicht der einzige. Es war komplizierter â oder auch viel einfacher: Es hatte keinen Sinn, alle Leute in eine Beziehung einzuweihen, die sowieso nur von kurzer Dauer sein würde. Aber jetzt hatte ich natürlich einen neuen Grund, ihn zu verstecken.
»Ist mir völlig egal, ob sie da sind oder nicht. Ich komme jetzt vorbei und hole dich ab, und dann besorgen wir uns einen Test. Und den machst du dann. Okay? Marian?«
»Ja«, flüsterte ich und fühlte mich einen winzigen Moment lang besser. Ich musste keine Entscheidungen treffen, denn die nahm er mir ab. Ich musste bloà tun, was er sagte.
»Sei fertig in zehn Minuten«, bat er. »Ich meine es ernst.«
Wie angekündigt, stand er zehn Minuten später in unserer Küche. Er trug ein verwaschenes Rolling-StonesT-Shirt, Leviâs-Jeans und blaue Adidas-Flip-Flops. Als er meinen Vater zum ersten Mal begrüÃte, dachte ich, ein Hemd mit Kragen wäre auch nicht schlecht gewesen. Meine Mutter nahm ihre Lesebrille ab und legte die Chicago Tribune neben ihren Teller mit ein paar dünnen Schnitzen Ananas, die mit Himbeeren und einem Klecks Joghurt garniert waren.
»Woher kennt ihr euch denn?«, wollte sie wissen. Den Kopf hatte sie schräg gelegt, wie immer, wenn sie jemanden neu kennenlernt und versucht, ihn in ihr Weltbild einzufügen. Oder auch nicht.
»Von der Schule«, erklärte ich und spielte nervös mit meinen Haaren. Ich konnte meinen Eltern nicht in die Augen sehen. Ich liebte und respektierte sie beide â und hatte sie noch nie zuvor dermaÃen belogen.
Sie nickten, lächelten und stellten noch weitere Fragen â natürlich auch die unvermeidbare: »Also, Conrad, wo gehtâs hin nächstes Jahr?«, fragte mein Vater, der Michigan-Absolvent mit Jura-Abschluss aus Yale.
Conrad verschränkte die Arme, löste sie wieder und lehnte sich an die Arbeitsplatte, als müsste er sich abstützen. Dann räusperte er sich und erwiderte: »Das weià ich noch nicht genau.«
Ich dachte an seine Worte im Jahrbuch â Ich hau ab â und an den Abend in Janies Garten. All das schien ewig her zu sein. Vielleicht war es das ja auch.
Conrad schaute auf seine FüÃe, während mein Vater seine Antwort ins Positive übersetzte. »Aha. Ein Jahr Pause? Um dich erst einmal zu orientieren?«
»Ja, so was in der Art, Sir«, entgegnete Conrad und blickte mich hilfesuchend an.
»Wir gehen jetzt jedenfalls ein bisschen weg«, sagte ich.
»Wo wollt ihr hin?«, fragte meine Mutter betont lässig, um ihre Neugier zu verstecken.
»Zum Golfplatz, ein bisschen spielen.« Als ich in das begeisterte Gesicht meines Vaters schaute, bereute ich meine Schwindelei sofort.
»Ach! Du spielst Golf?«, sagte mein Vater zu Conrad. »Wir sollten mal zusammen spielen. Was ist dein Handicap?«
Conrad starrte ihn ausdruckslos an. Wahrscheinlich hätte mein
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