Wo die Liebe beginnt
schob ihn weg. »Und wenn nicht?«
»Dann bist du schwanger. Das wäre zwar scheiÃe, aber damit würden wir auch irgendwie fertigwerden.«
»Wie denn?«
»Wie würdest du denn damit umgehen wollen?«, fragte er. »Egal, wie du dich entscheidest, ich stehe hinter dir.«
»Ich kann kein Kind kriegen. Ich gehe aufs College.«
»Okay. Dann würden wir uns eine Klinik suchen, irgendwo auÃerhalb der Stadt. In einem Vorort oder in Indianapolis. Da, wo niemand uns kennt. Ich habe jede Menge Geld vom Jobben gespart, das sollte also kein Problem sein. Und ich bleibe die ganze Zeit über bei dir und halte deine Hand.« Er legte mir den Arm um die Schulter und fügte hinzu: »Dann fahre ich dich wieder zurück und lege dich in mein Bett. Bringe dir Hühnersuppe, und singe dir was vor.«
Ich starrte auf einen Fleck an der Wand. Er sagte meinen Namen, zweimal, dreimal. Erst dann schaute ich ihn an.
»Ich würde alles für dich tun, Marian. Das weiÃt du doch, oder?«
»Ja«, erwiderte ich, obwohl ich mir da nicht ganz so sicher war.
»Wirklich alles«, bekräftigte er. Mit der rosafarbenen Schachtel in der Hand ging ich ins Badezimmer. Ich hatte schreckliche Angst.
Als ich alleine war, setzte ich mich auf den Toilettendeckel und las zweimal die Beschreibung auf der Schachtel durch, darunter auch die Worte »Ãber 99 % Zuverlässigkeit«. Dann ging ich genau nach Anweisung vor. Wie konnte ich nur glauben, die Zulassungsprüfung fürs College wäre der wichtigste Test in meinem Leben gewesen? Die ganze Zeit über betete ich verzweifelt, besonders während der zermürbenden und quälenden dreiminütigen Wartezeit. Abwechselnd fixierte ich das Stäbchen und den Sekundenzeiger meiner Uhr. Bitte, lieber Gott, lass keinen rosa Strich erscheinen! , wiederholte ich immer wieder.
Aber er erschien. So langsam, dass ich mir zuerst noch einreden konnte, es wäre eine optische Täuschung. Dann wurde er heller und kräftiger, und schlieÃlich war er dunkler als die Kontrolllinie, und drumherum leuchtete ein hellrosa Schleier. Jetzt hatte ich meine Antwort, und das Spekulieren und Hoffen und Beten war vorbei.
Ich starrte mein Bild im Spiegel an. Egal, was ich jetzt tat, ich wäre nie mehr dieselbe. Nichts wäre mehr wie zuvor. Ich lieà das Teststäbchen in meine Handtasche gleiten und öffnete die Tür, um mich Conrad und dem Rest meines Lebens zu stellen.
»Und?«, fragte er bleich.
In dieser Sekunde kam etwas über mich, das ich nie ganz verstehen werde. Vielleicht war es Verdrängung. Vielleicht wollte ich ihn schützen. Vielleicht hatte die schmerzhafte Loslösung von ihm schon begonnen. Jedenfalls zwang ich mich zu einem schwachen Lächeln und sagte: »Rate!«
»Sag schon!«
»Falscher Alarm.«
Als Conrad mit verschränkten Händen auf die Knie sank, schien jedes bisschen Luft aus seinem Körper zu entweichen. Dann stand er wieder auf und schrie wie ein Cowboy auf einer Weide voller Büffel. Er klatschte mich so heftig ab, dass meine Handfläche schmerzte, und verpasste mir noch einen Klaps auf den Hintern. »Ich habâs dir doch gesagt!«, brüllte er. »Verdammt, ich habâs dir doch gesagt!«
»Du hattest recht«, sagte ich, und er umarmte mich.
Dann trennten wir uns, und er sah mir tief in die Augen und sagte jene Worte zum ersten Mal, so deutlich und unmissverständlich wie der zweite rosafarbene Strich. »Ich liebe dich, Marian.«
Ich öffnete den Mund, aber er legte mir einen Finger auf die Lippen. »Sch. Sag jetzt nichts. Ich wollte ⦠ich wollte es einfach aussprechen. Egal, ob wir gute oder schlechte Nachrichten bekommen hätten. Ich liebe dich wirklich.«
7 â Kirby
Am nächsten Morgen gebe ich nach und rufe meine Eltern an. In St. Louis ist es jetzt kurz vor sieben. Ich weià genau, was meine Eltern gerade machen, weil sie die berechenbarsten Menschen auf der ganzen Welt sind. Meine Mutter sitzt am Frisiertisch und macht sich fertig für die Montagmorgen-Andacht, mein Vater hantiert in der Küche herum und hört die McGraw Show über Mittelwelle. Beim dritten Klingeln nehmen sie gleichzeitig ab, ihre Hallos überschneiden sich. Einen kurzen Moment lang, als ich McGraws fröhliches Glucksen im Hintergrund hören und die Würstchen meines Vaters in der Pfanne beinahe riechen kann, überkommt
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