Wo die Liebe beginnt
â die ich eingeführt habe â zu bewahren. »Ach, irgendwas, wozu du gerade Lust hast. Einen Witz erzählen, eine Geheimsprache sprechen, jonglieren, die Hauptstädte der Bundesstaaten aufzählen, mit der Zunge die Nase berühren oder so. Ein Autor hat mal die Ganda-Bherundasana-Yogapose gezeigt. Ziemlich dämlich â und auch ein bisschen ordinär, wenn man bedenkt, dass er sich dafür bis auf die Boxershorts ausziehen musste. Wie gesagt, alles ist erlaubt, aber irgendwas musst du zeigen. Sogar der Generaldirektor höchstpersönlich kam nicht daran vorbei.«
Peter gluckst. »Ich war darauf nicht vorbereitet. Seit meiner Rugbyzeit im College bin ich nicht mehr so schikaniert worden.«
»Es ist keine Schikane«, betone ich. »Nur ein kleines Ritual.«
»Was hast du denn vorgemacht?«, will Kirby von ihm wissen. An ihrem Gesicht sehe ich, dass sie die Puzzleteile so langsam zusammensetzt: Peter ist der Generaldirektor. Der Oberboss. Mein Chef.
»Ich habe das Präpositionen-Lied gesungen, auf die Melodie von âºYankee Doodle Dandyâ¹Â«, berichtet er.
Kirby lächelt, genau wie die beiden Frauen vor uns in der Schlange, die ihn anscheinend erkennen.
»Du solltest dir also in den nächsten fünf Minuten etwas Besseres überlegen«, sagt Peter. »Aber mach dir keinen Stress.«
Dann ruft der Barista Peters Namen aus. Er holt sich den Kaffee ab, schnappt sich seine Aktentasche und wünscht uns einen schönen Tag.
»Dir auch«, rufe ich hinter ihm her, als wären wir bloà Kollegen, die in der Warteschlange ein kleines Schwätzchen gehalten haben.
»Ich weià nicht, was ich vormachen soll«, klagt Kirby aufgeregt, als wir mit Orangensaft und Bagels im Aufzug stehen. Sie stopft beides in ihre Handtasche, und ich bemerke, wie abgewetzt der Riemen ist. Vielleicht kann ich ihr eine neue Tasche zum Schulabschluss schenken: eine ganz klassische von Chanel. Aber vielleicht würde das ihrer Mutter nicht gefallen. Vielleicht bin ich mit den Kleidern, die ich ihr gekauft habe, schon zu weit gegangen.
»Irgendwas, was ihr in der Schule vorgeführt habt?«, frage ich, um ihr Hilfestellung zu geben.
Sie starrt mich ausdruckslos an.
»Hm. Kannst du pfeifen?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Kannst du singen?«
Sie nickt vorsichtig, und ich schlieÃe daraus, dass sie eine schöne Stimme hat. Ich denke an Conrad. Mein Herz fängt plötzlich an zu klopfen.
»Dann sing doch was«, schlage ich vor. »Summ ein paar Takte der Nationalhymne oder von deinem Lieblingslied. Irgendwas. Glaub mir, das ist keine groÃe Sache, mach dir keinen Kopf darüber.«
Mit weit aufgerissenen Augen nickt sie. Wir treten aus dem Aufzug und gehen den Flur hinunter. Es herrscht der übliche Montagmorgen-Betrieb. In meinem kleinen Büro bitte ich Kirby, sich kurz auf einen der Lederstühle vor meinem Schreibtisch zu setzen, während ich den Computer hochfahre, ein paar Nachrichten von meiner Assistentin überfliege und Anrufbeantworter und E-Mails checke.
»Das wird ein langer Tag«, sage ich mehr zu mir selbst.
Sie nickt ernst. »Sag mir, wenn ich dir helfen soll. Ich bin gut im Ordnen und Abheften.«
Ich betrachte sie. Hat sie überhaupt eine Spur von Ehrgeiz in sich? Kann ich ihr irgendwie helfen, den richtigen Weg zu finden? Oder sie wenigstens aufs College bringen, wo sie mehr lernt als Ordnen und Abheften? »Also, im Moment bereiten wir die Vorproduktion und die Werbeverhandlungen vor. Letztes Jahr hatten wir den Donnerstag, aber wir müssen erst mal abwarten, gegen welche Sendungen wir antreten.«
»Dann haben die Dreharbeiten noch gar nicht angefangen?«, fragt sie enttäuscht.
Ich schüttele den Kopf. »Nein. Wir besprechen erst mal die groben Handlungsstränge. Im Moment gibt es nur Entwürfe der Drehbücher für die Studios und den Sender. Wir müssen Schauspieler für die Gastrollen casten, mit Besetzung und Stab verhandeln, neue Sets entwerfen, Beleuchter und Kameraleute, Maskenbildner und Techniker einbinden. Und wir müssen im Auge behalten, wie der Sender die Serie vermarktet.«
»Wow«, keucht sie. »Klingt nach viel Arbeit.«
»Könnte man so sagen, ja.« Ich nehme ein paar angespitzte gelbe Bleistifte, ein spiralgebundenes Notizbuch und das iPad von meinem Schreibtisch. »Aber es lohnt sich mitzuerleben, wie das eigene Projekt zum
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