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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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große, gewölbte Augenlider, halb geschlossen über Augen, die exakt so aussehen wie meine, wie sie gesagt hat. Er wirkt zwar entspannt, aber da ist ein Ausdruck in seinem Gesicht, der mir zeigt, dass er tief empfindet, mit ganzer Seele liebt. Oder vielleicht wünsche ich mir das auch bloß. Vielleicht wünsche ich mir das für mich selbst – an Marian habe ich es jedenfalls noch nicht bemerkt. Langsam reicht meine Hand das Foto wieder zurück, aber ich kann mich noch nicht davon lösen. Heimlich hoffe ich, dass sie es mir schenkt.
    Â»Wart ihr verliebt?«, frage ich nervös. Ich will, dass sie Ja sagt. Aber warum ist mir das so wichtig? Was würde es schon ändern?
    Sie zögert und sagt dann: »Ich weiß nicht. Das ist alles so lange her … Es war ein verrückter Sommer, Kirby. Eine echt verrückte Zeit.«
    Â»Warum denn? Was war so verrückt?«, hake ich nach und denke daran, dass Belinda jede läppische kleine Liebesgeschichte gern als »verrückt« bezeichnet. Zum Beispiel, wenn sie und so ein Idiot miteinander ausgehen und dann plötzlich nicht mehr. Wenn sie sich lieber mit anderen Leuten verabreden. Eine Beziehungspause einlegen. Nur noch rumhängen zusammen. Ist es das, was Marian meint mit »verrückt«? Oder ist es was Ernsteres?
    Â»Unsere Beziehung hat sich spontan ergeben«, sagt Marian. Ich konzentriere mich auf das Wort »Beziehung«. »Sehr spontan. Am Anfang kannte ich ihn gar nicht richtig, und plötzlich bedeutete er mir alles.«
    Ich überlege mir die nächste Frage sehr genau, als hätte ich nur eine bestimmte Anzahl frei. Aber ich will die Geschichte hören, die ganze Geschichte – wie sie sich für mich entschieden hat, und dann, wie sie sich entschieden hat, mich wegzugeben. Schließlich platze ich damit heraus: »Wollte er, dass du mich bekommst? Oder wollte er, dass du abtreibst?«
    Sie zuckt zusammen, atmet tief durch und schaut mir endlich in die Augen. Dann nimmt sie meine Hände und sagt meinen Namen, als wollte sie mir gleich ein Geständnis machen. Das tut sie dann auch.
    Â»Ich habe es ihm nie gesagt«, erklärt sie.
    Mir ist klar, dass man ihre Aussage nur auf eine einzige Art interpretieren kann, aber ich suche trotzdem nach einer anderen Möglichkeit und blicke wieder auf das Foto von dem Mädchen und dem Jungen. »Du hast ihm nie gesagt, dass du mich gekriegt hast?«
    Sie sieht mich an und schüttelt den Kopf. Ihre Wangen färben sich rosa, so wie auf dem Bild, aber aus ganz anderen Gründen.
    Â»Und … wusste er überhaupt, dass du schwanger warst?« Langsam setzt sich das Bild zusammen.
    Sie schüttelt wieder den Kopf. Dieses Mal schafft sie es nicht, mir in die Augen zu schauen.
    Â»Wie das? Ist er weggegangen?« Ich stelle mir vor, wie er sie verlässt, wie er ihr einen Abschiedsbrief überreicht – vielleicht sogar den, den sie vorhin in der Hand hatte. Wie er verschwindet und nie mehr zurückkehrt.
    Aber sie schüttelt schon wieder den Kopf. Fast unhörbar sagt sie: »Nein. Ich bin weggegangen.«
    Â»Wie? Du hast ihn verlassen?«
    Sie nickt und bestätigt: »Ja. Als ich rausgefunden habe, dass ich mit dir schwanger war, habe ich Schluss gemacht.«
    Â»Dann weiß er also gar nicht, dass es mich gibt?« Vielleicht hat sie ihm ja erst Jahre später von mir erzählt. Vielleicht weiß er ja, dass er irgendwo da draußen ein Kind hat, vielleicht will er mich unbedingt kennenlernen. Vielleicht hat sie ihn in den letzten zwei Tagen kontaktiert und ihm alles gesagt.
    Kopfschütteln. »Niemand weiß, dass ich dich geboren habe. Niemand wusste, dass ich schwanger war – nur meine Mutter.«
    Ich versuche, die Tragweite der Worte zu begreifen. Wie konnte sie so eine Geschichte bloß durchziehen? »Und was war mit deinem Vater? Oder deiner besten Freundin?«, frage ich und denke an Belinda. Sie wäre der erste Mensch, den ich anrufen würde in einer solchen Situation. Aber so weit kann ich sowieso nicht denken, denn meine sexuelle Erfahrung beschränkt sich auf drei jämmerliche Knutschereien in betrunkenem Zustand, furchtbar und völlig unwichtig.
    Â»Nur meine Mutter wusste davon«, wiederholt Marian.
    Â»Wie hast du deinen Zustand vor den anderen verborgen?«
    Â»Ich habe ein Jahr College-Pause gemacht. Ich habe denen im Sekretariat in Michigan erzählt, ich hätte

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