Wo die Nacht beginnt
Gemahl wird das nicht stören. Sie studiert die Alchemie.«
»Ich nehme es«, erklärte ich entschieden.
Während Chandler unsere Einkäufe verpackte, fragte George ihn, ob er einen Augengläserschleifer empfehlen könne.
»Mein Verleger, Master Ponsonby, ist besorgt, dass mich das Augenlicht verlassen könnte, bevor meine Homer-Übersetzung abgeschlossen ist«, plusterte er sich auf. »Der Diener meiner Mutter hat mir ein Hausmittel empfohlen, aber das hat nicht zur Heilung geführt.«
Der Apotheker zuckte mit den Achseln. »Diese Altweiberkuren helfen zwar bisweilen, aber meine ist wesentlich verlässlicher. Ich werde Euch eine Tinktur aus Eiweiß und Rosenwasser schicken. Tränkt damit ein paar Flachsballen und legt sie Euch auf die Augen.«
Während George und Chandler um den Preis der Medizin feilschten und die Lieferung arrangierten, sammelte Pierre die Pakete ein und wartete an der Tür auf mich.
»Lebt wohl, Mistress Roydon«, verabschiedete sich Chandler unter einer Verbeugung.
»Ich danke Euch für Eure Hilfe, Master Chandler«, erwiderte ich. Ich bin neu in der Stadt und suche nach einer Hexe, die mir helfen kann.
»Stets zu Diensten«, antwortete er sofort. »Obwohl es auch in Blackfriars exzellente Apotheker gibt.« London ist ein gefährliches Pflaster. Gebt Acht, von wem Ihr Hilfe erbittet.
Ehe ich den Apotheker fragen konnte, woher er wusste, wo ich wohnte, hatte George mich unter einem fröhlichen Adieu auf die Straße geschoben. Pierre folgte mir so dicht, dass mir seine vereinzelten Atemzüge kühl in den Nacken wehten.
Ich konnte die Blicke spüren, die uns auf dem Rückweg in die Stadt folgten. Während ich in Chandlers Geschäft gewesen war, hatte jemand Alarm geschlagen, und in Windeseile hatte sich herumgesprochen, dass sich eine fremde Hexe im Viertel aufhielt. Endlich hatte ich mein Ziel für diesen Nachmittag erreicht. Zwei Hexen traten vor ihre Haustür, die Arme an den Ellbogen untergehakt, und musterten mich mit kitzelnder Feindseligkeit. Sie sahen einander so ähnlich, dass ich mich fragte, ob sie Zwillinge waren.
» Wearh«, murmelte eine, spuckte vor Pierre aus und verschränkte die Finger in einer Teufelsaustreibungsgeste.
»Kommt, Mistress. Es ist schon spät.« Pierres Finger schlossen sich um meinen Unterarm.
Weil Pierre mich so schnell wie möglich aus St. Giles wegschaffen wollte und George unbändigen Durst nach einem Becher Wein verspürte, legten wir den Rückweg nach Blackfriars deutlich schneller zurück als den Hinweg. Als wir im Hart and Crown ankamen, war Matthew immer noch nicht zurück, weshalb Pierre loszog, um ihn zu suchen. Bald machte Françoise eine spitze Bemerkung darüber, wie spät es schon war und wie dringend ich meine Ruhe bräuchte. Chapman verstand und verabschiedete sich gehorsam.
Françoise setzte sich mit ihrem Nähzeug an den Kamin und behielt die Tür im Auge. Ich probierte meine neue Tinte aus, indem ich ein paar Artikel von meiner Einkaufsliste strich und stattdessen Rattenfalle hinzufügte. Dann widmete ich mich John Hesters Buch. Das blanke Papier, in das es gewickelt war, verbarg den anzüglichen Inhalt. Das Werk zählte verschiedene Heilmittel gegen Geschlechtskrankheiten auf, die größtenteils toxische Mengen an Quecksilber enthielten. Kein Wunder, dass Chandler sich gespreizt hatte, das Buch einer verheirateten Frau zu verkaufen. Ich hatte mich gerade in das zweite faszinierende Kapitel vertieft, als ich leises Gemurmel aus Matthews Schreibstube hörte. Françoise kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Er wird heute Abend mehr Wein brauchen, als wir im Hause haben«, bemerkte sie, ging zur Treppe und nahm dabei einen der leeren Krüge mit, die an der Tür standen.
Ich folgte der Stimme meines Gemahls. Matthew war noch in seiner Schreibstube, wo er sich aus den Kleidern schälte und sie ins Feuer warf.
»Er ist ein übler Zeitgenosse, Milord«, sagte Pierre und löste Matthews Schwert.
» Übel wird diesem Unhold nicht gerecht. Für ihn muss erst noch ein Wort geprägt werden. Nach dem heutigen Tage würde ich vor dem Richter schwören, dass er der Teufel persönlich ist.« Mit langen Fingern löste Matthew die Bänder seiner eng anliegenden Hose. Sie sank zu Boden, und er bückte sich, um sie aufzuheben. Gleich darauf flog sie in hohem Bogen ins Feuer, aber nicht so schnell, als dass ich nicht die Blutspritzer darauf gesehen hätte. Der Modergeruch von feuchtem Stein, Alter und Dreck weckte die Erinnerung an
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