Wo die Nacht beginnt
meine Gefangenschaft in La Pierre. Mein Magen rebellierte. Matthew schoss herum.
»Diana.« Er registrierte mit einem tiefen Atemzug, wie angespannt ich war, und zerrte sich das Hemd über den Kopf, bevor er über seine abgelegten Stiefel stieg und in nichts als einer Unterhose aus Leinen zu mir trat. Der Flammenschein spielte auf seinen Schultern und ließ eine seiner vielen Narben – eine lange, tiefe, knapp über dem Schultergelenk – in unregelmäßigen Abständen aufblinken.
»Bist du verletzt?« Ich musste die Worte durch meine zugeschnürte Kehle pressen, und mein Blick lag wie hypnotisiert auf den im Kamin brennenden Kleidern. Matthew bemerkte es und fluchte leise.
»Das ist nicht mein Blut.« Dass Matthews Kleider mit fremdem Blut besudelt waren, war kein großer Trost. »Die Königin verlangte meine Anwesenheit, während ein Gefangener … befragt wurde.« Sein kurzes Zögern verriet mir, dass er eigentlich »gefoltert« sagen wollte. »Gib mir Zeit zum Waschen, dann leiste ich dir beim Abendessen Gesellschaft.« Matthew sprach mit Wärme, aber er sah müde und wütend aus. Und er berührte mich kein einziges Mal.
»Du warst im Kerker.« Der Geruch ließ keinen Zweifel daran.
»Im Tower.«
»Und der Gefangene – ist er tot?«
»Ja.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich hatte gehofft, ich würde früh genug eintreffen, um ihnen Einhalt zu gebieten – wenigstens dieses Mal –, aber ich hatte die Gezeiten falsch berechnet. Wieder einmal konnte ich nichts weiter tun als darauf bestehen, dass man seinem Leiden ein Ende macht.«
Matthew hatte schon einmal zugesehen, wie dieser Mann gestorben war. Heute hätte er zu Hause bleiben können und sich nicht mit einer verlorenen Seele im Tower abgeben müssen. Ein weniger edles Wesen hätte das vielleicht getan. Ich streckte die Hand nach ihm aus, aber er wich vor mir zurück.
»Die Königin wird meinen Kopf fordern, wenn sie entdeckt, dass der Mann starb, ohne seine Geheimnisse zu verraten, aber das ist mir inzwischen gleich. Wie die meisten Menschen kann sich Elisabeth blind stellen, wann immer es ihr gefällt«, sagte er.
»Wer war er?«
»Ein Hexer«, antwortete Matthew knapp. »Seine Nachbarn zeigten ihn an, weil er angeblich eine Handpuppe mit roten Haaren besaß. Sie fürchteten, sie könnte die Königin darstellen. Und die Königin fürchtete, dass das Verhalten der schottischen Hexen und Hexer wie Agnes Sampson und John Fian die englischen ermutigen könnte, gegen sie Partei zu ergreifen. Nein, Diana.« Ich wollte Matthew trösten, doch er hob die Hand, um mich auf Abstand zu halten. »Näher wirst du dem Tower und dem, was darin geschieht, nicht kommen. Warte im Salon auf mich.«
Es fiel mir schwer, ihn allein zu lassen, aber im Moment konnte ich nichts weiter tun, als seiner Bitte nachzukommen. Auf dem Tisch warteten Wein, Brot und Käse, aber nichts davon lockte mich, und so nahm ich nur eines der Brötchen, die ich am Morgen gekauft hatte, und zerteilte es ganz langsam in winzige Krümel.
»Du hast keinen Appetit.« Matthew war leise wie eine Katze in den Raum geschlüpft und goss jetzt einen Becher voll Wein. Er leerte ihn in einem tiefen Zug und schenkte sich wieder nach.
»Du auch nicht«, sagte ich. »Du nimmst kaum noch etwas zu dir.« Gallowglass und Hancock luden ihn regelmäßig ein, ihnen bei ihren nächtlichen Jagdzügen Gesellschaft zu leisten, aber Matthew lehnte jedes Mal ab.
»Ich will nicht darüber reden. Erzähl mir lieber von deinem Tag.« Hilf mir zu vergessen, flüsterten Matthews unausgesprochene Worte.
»Wir waren einkaufen. Ich habe das Buch abgeholt, das du bei Richard Field bestellt hast, und dabei habe ich seine Frau Jacqueline kennengelernt.«
»Ah.« Matthews Lächeln wurde breiter, und seine Lippen entspannten sich ein wenig. »Die neue Mrs Field. Sie hat ihren ersten Mann überlebt und führt nun den zweiten Ehemann am Gängelband. Ihr beide werdet bis zum Wochenende die besten Freundinnen sein. Hast du auch Shakespeare gesehen? Er wohnt bei den Fields.«
»Nein.« Ich fügte noch ein paar Krümel zu dem Haufen auf dem Tisch hinzu. »Dann war ich an der Kathedrale.« Matthew beugte sich leicht vor. »Pierre war bei mir«, ergänzte ich hastig und ließ das Brötchen auf den Tisch fallen. »Und dort habe ich zufällig George getroffen.«
»Bestimmt lungerte er am Bishop’s Head herum und hoffte darauf, dass William Ponsonby ihn lobt.« Matthews Schultern erbebten unter seinem leisen
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