Wo die Nacht beginnt
meinem Rock. »Du hast dir nicht vertraut, als Philippe in Hörweite war, da würdest du dir auch nicht trauen, wenn Gallowglass und Pierre auf Abruf bereitständen.«
»Das ist nichts, worüber man Witze macht.«
»Nein.« Ich nahm seine Hände. »Es ist etwas, das nur Mann und Frau angeht. Etwas, bei dem es um Ehrlichkeit und Vertrauen geht. Ich habe nichts vor dir zu verbergen. Wenn du mein Blut trinken musst, damit du nicht mehr das unstillbare Bedürfnis hast, meine imaginären Geheimnisse aufzuspüren, dann solltest du das tun.«
»Ein Vampir tut so etwas nicht nur einmal«, warnte mich Matthew und wollte mir seine Hände entziehen.
»Das habe ich auch nicht angenommen.« Ich wühlte meine Finger in seine Nackenhaare. »Mein Blut gehört dir. Mit all meinen Geheimnissen. Tu, was dein Instinkt dir befiehlt. Hier gibt es keine Sichthauben und keine Fußfesseln. Wenigstens in meinen Armen solltest du frei sein, wenn du es sonst nirgendwo sein kannst.«
Ich zog seinen Mund an meinen. Anfangs reagierte er nur zögerlich und schlang dabei die Finger um meine Handgelenke, als hoffte er, sich mir bei der ersten Gelegenheit entziehen zu können. Aber seine Instinkte waren stärker, und ich konnte sein Verlangen schmecken. Die Stränge, die unsere Welt zusammenhielten, bogen sich und ordneten sich neu um uns herum an, als müssten sie Platz für so mächtige Gefühle schaffen. Ich löste mich behutsam von ihm. Mein Busen hob sich bei jedem Atemzug.
Er sah so verängstigt aus, dass es mir das Herz zusammenschnürte. Aber ich sah auch die Begierde. Angst und Begierde. Kein Wunder, dass er seinen Essay für das All Souls College über dieses Thema geschrieben hatte. Wer wusste besser als ein Vampir, wie die beiden miteinander im Krieg lagen?
»Ich liebe dich«, flüsterte ich und ließ die Hände sinken, bis sie schlaff herabhingen. Er musste das von sich aus tun. Ich konnte nur abwarten, bis er seinen Mund auf meine Ader legte.
Es war nervenaufreibend, so reglos warten zu müssen, aber schließlich beugte er den Kopf. Mein Herz klopfte wie wild, und dann hörte ich ihn tief und lange einatmen.
»Honig. Du riechst immer nach Honig«, murmelte er verwundert, bevor sich seine scharfen Zähne in meine Haut bohrten.
Als er damals mein Blut getrunken hatte, hatte Matthew die Bissstelle zuvor sorgfältig mit seinem eigenen Blut betäubt, damit ich keinen Schmerz spürte. Diesmal verzichtete er darauf, trotzdem wurde meine Haut unter dem Druck von Matthews Mund taub. Seine Hände umfingen mich, dann beugte er mich nach hinten übers Bett und wartete ab, bis er überzeugt war, dass es zwischen uns nichts als Liebe gab.
Etwa dreißig Sekunden, nachdem er angesetzt hatte, hielt Matthew inne. Er sah überrascht zu mir auf, so als hätte er etwas Unerwartetes entdeckt. Seine Augen waren nur noch schwarz, und einen flüchtigen Moment glaubte ich, der Blutrausch wäre zurückgekehrt.
»Es ist schon gut, mein Leben«, flüsterte ich.
Matthew senkte wieder den Kopf und trank weiter, bis er gefunden hatte, was er wissen musste. Alles in allem brauchte er etwa eine Minute. Dann küsste er die Stelle über meinem Herzen mit der gleichen sanften Ehrerbietung, die er auch bei unserer Hochzeit auf Sept-Tours gezeigt hatte, und sah schüchtern zu mir auf.
»Und was hast du gefunden?«, fragte ich.
»Dich. Nur dich«, murmelte Matthew.
Seine Schüchternheit schlug schnell in Hunger um, als er mich küsste, und wenig später lagen wir ineinander verschlungen da. Bis auf das kurze Zwischenspiel an der Wand hatten wir uns seit Wochen nicht geliebt, und anfangs hatten wir Mühe, einen gemeinsamen Rhythmus zu finden, so als müssten wir uns erst wieder aufeinander einstimmen. Ich spürte, wie die Spannung in meinem Körper anstieg. Noch ein schneller Stoß, ein inniger Kuss, und ich hätte zu fliegen begonnen.
Stattdessen wurde Matthew langsamer. Unsere Blicke trafen und verbanden sich. So wie in diesem Moment hatte ich ihn noch nie erlebt – verletzlich, hoffnungsvoll, wunderschön, befreit. Es gab keine Geheimnisse mehr zwischen uns, nichts, was zurückgehalten wurde für den Fall, dass es zur Katastrophe kam und wir in einem dunklen Schlund absoluter Hoffnungslosigkeit versanken.
»Kannst du mich spüren?« Inzwischen war Matthew ein ruhender Pol in meinem Innersten. Er lächelte und begann sich langsam und bedächtig zu bewegen. »Ich bin in dir, Diana, und spende dir Leben.«
Dieselben Worte hatte ich zu ihm gesagt, als er mein
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